Der erste IC-Triebzug: Bemerkenswertes Trio

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Zu wenig Plätze!
Doch gerade im planmäßigen IC-Verkehr machte sich nun schnell das größte Manko der Triebzüge bemerkbar: Das Sitzplatzangebot war begrenzt und ein Verstärkungswagen konnte bei hoher Nachfrage nicht einfach beigestellt werden, so wie dies bei lokbespannten Garnituren möglich ist. Zwar ließen sich die Triebzüge in ihrem Heimat-Bw neu konfigurieren, indem man einer Einheit einen weiteren 404-Mittelwagen beifügte, doch bereitete dies einen erheblichen Aufwand. Zudem war der dann nur noch dreiteilige Triebzug (403+404+403) kaum anderweitig einsetzbar. Konsequenterweise beließ die DB ihre IC-Triebzüge daher im Regelfall in der Standard-Kombination 403+404+404+403 und setzte sie nur auf der schwächer frequentierten IC-Linie 4 ein.
Statt der vorherigen Kurse in den IC „Riemenschneider“ sowie „Nord-“ und „Südwind“, die nun auch im Vorlaufbetrieb für das neue zweiklassige IC-System Wagen zweiter Klasse mitführten, fuhren die drei 403/404 ab dem Fahrplanjahr 1976 nun planmäßig die IC 180/187 „Albrecht Dürer“ und IC 182/189 „Hermes“, ebenfalls mit dem Laufweg München – Bremen. Dabei konnten die Triebzüge auf dem Abschnitt München – Augsburg – Donauwörth ihre Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h ausfahren, worauf der Zugführer die Reisenden mit einer Durchsage aufmerksam machte. Zur besseren Unterscheidung von normalen, mit 103, 110 oder 112 bespannten IC waren diese Zugläufen im Reihungsplan mit dem Kürzel ICt versehen. Allerdings – auch darüber gibt der Reihungsplan Auskunft – liefen die 403/404 generell nur montags bis freitags in diesem Kurs, während an den Wochenenden der stärkeren Frequentierung wegen immer lokbespannte IC zum Einsatz kamen. Auch an den anderen Wochentagen erfolgte die Zugbildung stets „nach besonderer Anordnung“, um so die 403 weiterhin für Sonderdienste aus dem regulären Einsatzplan abziehen zu können. So überstieg die Anzahl der Tage in Sonderplänen in manchen Monaten die der 403/404 im regulären IC-Dienst. Glück hatte, wer also tatsächlich in den supermodernen Triebzügen mitreisen oder diese im Streckeneinsatz erleben durfte.
Allerdings konnten sich die Kilometerleistungen der IC-Triebzüge zumindest auf dem Papier sehen lassen: Im Sommerfahrplan 1978 erreichten die beiden planmäßig zwischen München und Bremen eingesetzten Garnituren theoretisch 1.564 Kilometer pro Tag und damit die höchste spezifische Laufleistung aller DB-Triebfahrzeuge! Zum Vergleich: Die nächstgrößten Laufleistungen erbrachten in jenem Jahr die 103 der Bw’e Frankfurt (Main) 1 und Hamburg-Eidelstedt mit bis zu 1.289 bzw. 1.279 km/Tag, während die ebenfalls im IC-Dienst eingesetzten ehemaligen TEE-Triebwagen der Baureihe 601 auf immerhin 1.005 km/Tag kamen. Aber de facto standen im ersten Halbjahr 1978 nur noch 101.830 durchschnittliche Laufkilometer pro Triebzug auf der Habenseite, fast 20 Prozent weniger als noch im gleichen Vorjahreszeitraum.
Doch das Ende dieser Leistungen war abzusehen – die Einführung des zweiklassigen „IC 79“-Systems („Jede Stunde – jede Klasse“) warf bereits ihre Schatten voraus. Die nur die 1. Klasse führenden IC-Triebzüge konnten in diesen Diensten nicht mehr unterkommen – diejenigen Führungskräfte in der DB, die für die lokbespannten Wagengarnituren im Schnellverkehr plädierten, hatten sich unter richtiger Deutung der Bedürfnisse der Reisenden erfolgreich durchgesetzt. Freilich hätte man die 403/404 mit erheblichem Aufwand umrüsten können – nur die Kosten hierfür sowie die vorauszusehende starke Zunahme der Fahrgastzahlen, für die die Kapazität der Triebzüge bei Weitem nicht ausgereicht hätte, sprachen gegen diesen Schritt. Folglich sah sich die DB nach anderen Einsatzbereichen für ihre einstigen Paradepferde um.
Noch Ende 1978 gab es Planungen, sie fortan für den rein erstklassigen innerdeutschen TEE-Verkehr zwischen Hamburg und München einzusetzen. Auch eine Umstationierung nach Plochingen und Einsätze ab Stuttgart standen im Raum. Doch aus beiden Erwägungen wurde nichts: Der Sommerfahrplan 1979 brachte de facto das Ende der Triebzüge im IC-Verkehr und vorerst auch keine weitere regelmäßige Beschäftigung mehr. Wie die ebenfalls arbeitslos gewordenen 601 versetzte die DB ihre gerade erst eingefahrenen 403/404 nun in den Turnus- und Sonderverkehr.

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