Die Baureihe 01 150

Seiten


Für den 9. Mai 1992 hatte man mich als Heizer zu einer Sonderfahrt von Nürnberg nach Kulmbach eingeladen. Es war in jenem Jahr die erste Fahrt nach der Winterpause. Im Schuppen stand die angeheizte 01 150 mit einer Staubschicht von oben bis unten. Wahrlich, mit solch einer Dreckschleuder waren wir zu Bielefelder Zeiten nie unterwegs. Ich schämte mich vor den IBM-Leuten, die diese Fahrt bestellt hatten. Nach der Ankunft in Kulmbach unternahm die Reisegruppe einen Stadtrundgang. Während dieser zweistündigen Pause reinigte ich mit Lappen und Putzwolle wenigstens den Langkessel, so dass die Maschine bei der Rückfahrt etwas besser aussah.

Nach diesem Einsatz fanden noch mehrere Nostalgiefahrten statt, bis dann wieder die Untersuchungsfristen abliefen und 01 150 im Museumsschuppen zu Nürnberg ein wahrlich trauriges Dasein fristete. Am 17. Oktober 2005 wurde sie beim Großbrand auch ein Opfer der Flammen. Ich bekam danach Anrufe aus ganz Deutschland von Eisenbahnliebhabern, die mich bedauerten …

Das Dampflokwerk Meiningen informierte mich, dass nach Aussage der Bahn AG die Lok nur museal aufgearbeitet werden soll. Das heißt, dass sich diese nie mehr mit eigener Kraft bewegen würde. Damit kann und will ich mich nicht abfinden! Nach groben Schätzungen entstehen bei einer musealen Aufarbeitung Kosten in Höhe von ca. 360.000 Euro, die die Bahn sicherlich übernehmen wird. Ungedeckt sind die Mehrkosten von etwa 130.000 Euro für eine betriebsfähige Aufarbeitung. Meine diesbezüglichen Bemühungen, Sponsoren zu finden, hatten bislang Erfolg: Zum jetzigen Zeitpunkt haben spontan vier Sparda-Banken, die DEVK Köln sowie die Bayerische Landesstiftung ihre finanzielle Unterstützung zugesagt. Viele zum Teil mir unbekannte Spender haben in den letzten Monaten größere und kleinere Beiträge auf die Spendenkonten (siehe Kasten) überwiesen. Alle Sponsoren warten seither auf einen Finanzierungsplan seitens der Bahn. Dazu müsste 01 150 endlich von Nürnberg nach Meiningen überführt werden. Die Lokomotive gehört heute nicht mehr Herrn Seidensticker, sondern der Deutschen Bahn.

Ich hänge dennoch immer noch sehr an diesem historischen Fahrzeug, weil ich mich mit meinen Leuten von 1980 bis 1988 in Bielefeld für den technischen und optischen Zustand verantwortlich fühlte, und ich meine, mit Erfolg. 01 150 verkörpert ein Stück deutsche Eisenbahngeschichte. Ich glaube aber, dass die Konzernleitung kein all zu großes Interesse daran hat, obwohl es sich heute um das einzige überlebende Triebfahrzeug der Regelbauart handelt, welches 1935 und 1985 an den Eisenbahnjubiläen teilnahm. Von den damals auch teilnehmenden Unikaten wurde nur der „Adler“ in Meiningen restauriert, der „Gläserne Zug“ wird leider nur Erinnerung bleiben.

2010 feiert Deutschland das Jubiläum „175 Jahre deutsche Eisenbahnen“. Ich bin jetzt 72 geworden und möchte gern bei diesem Fest dabei sein. Unsere 01 150 sollte dann das dritte Mal in ihrem Leben mit eigener Kraft an der Zuschauertribüne vorbeidampfen. Ich möchte gern alles tun, die 01 150 betriebsbereit der Nachwelt zu erhalten. Für dieses Ziel werde ich weiter streiten.

Ein Artikel aus LOK MAGAZIN 09/08

Seiten

Tags: 
Weitere Themen aus dieser Rubrik

ET 184 41, 42/ ET 185 01: Elektrische Pioniere

Am 4. Dezember 1895 eröffnete die Localbahn AG in Württemberg zwischen Meckenbeuren und Tettnang die erste elektrische Vollbahn in Europa.

Für den...

weiter

Baureihe 140 im Emsland: Die Funken schlagen

Im Emsland tummelten sich früher die Dampflokfans. Doch Geschichte wiederholt sich: Das Emsland zieht heute Ellok-Nostalgiker an. Warum das so ist, lesen Sie hier!

Lokführer im Ruhrgebiet in den 1970ern: Oft um den Kirchturm herum

In den frühen 1970er-Jahren arbeitet Peter Schricker als Lokheizer im Bahnbetriebswerk Duisburg-Wedau. Seine Dampflok-Einsätze sind die typischen jener Jahre:... weiter