Die deutsche Super-Pacific

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Die beiden 10er waren moderne Dampfloks, ohne allerdings technische Höhepunkte aufzuweisen. Eine Innovation war allenfalls der in einem Stück gegossene Zylinderblock, der mit dem Rahmen verschweißt wurde. Doch auch hier war die Dampfloktechnik im Ausland weiter fortgeschritten: Zeitgemäße amerikanische Dampfloks wurden längst mit einem gegossenen Stahlgussrahmen mit integrierten Zylindern gebaut.

Auch das in Frankreich mittlerweile zur Perfektion entwickelte Vierzylinder-Verbund-Triebwerk fand keine Anwendung. Auch auf den Einbau eines Leichtbau-Triebwerks aus Aluminium-Legierungen – in den USA längst üblich und mit verantwortlich für den ruhigen Lauf der dort üblichen Zweizylinderlokomotiven – wurde verzichtet.

Wenig revolutionär und zukunftsträchtig war in der Zeit des beginnenden Strukturwandels auch die Wahl der Achsfolge 2’C1’: Trotz überschwerer Bauart und einer Achslast von 22 Tonnen kam die 10 nur auf 66 Tonnen Reibungsgewicht, während ihre zur gleichen Zeit entwickelten Konkurrentinnen E 10 und V 200 auf rund 80 Tonnen kamen. Selbst Friedrich Witte, „Vater“ der DB-Neubauloks sinnierte noch vor Ablieferung der beiden 10er, man hätte die neuen Dampfloks doch vielleicht als 1’D1’ konstruieren sollen …

Bau und Einsätze
Im Jahr 1955 wurde mit dem Bau der beiden Loks bei Krupp in Essen begonnen. Im März 1957 wurde 10 001 fertig gestellt und der DB übergeben. 650.000,- DM musste die Bundesbahn für die Lok zahlen, die es in ihrer gut zehnjährigen Dienstzeit immerhin auf eine Laufleistung von etwas mehr als einer Million Kilometer bringen sollte. In einer Feierstunde wurde die Lok als Abschluss der Dampflok-Entwicklung gewürdigt, ganz nach dem Motto: Jetzt haben wir unsere moderne Super-Dampflok, schön und schnell, aber jetzt ist Schluss – die Zukunft gehört der Diesel- und Ellok …

So nahm es auch die Öffentlichkeit wahr; dass erst ein Jahr später noch die 10 002 ausgeliefert werden würde und noch bis 1959 23er gebaut wurden, fand kaum noch Beachtung.
Nach ihrer Ablieferung an die DB weilte 10 001 ein knappes Jahr zur Erprobung beim LVA Minden. Im Januar 1958 kam die Lok zum Bw Bebra, einem klassischen Schnellzuglok-Bw an der Nord-Süd-Strecke Hannover – Würzburg.

Zwei Monate später war endlich auch 10 002 fertig und wurde ebenfalls in Bebra stationiert, wo sie auf 16 dort beheimatete 01.10 traf. Ihre ersten Betriebsmonate absolvierte 10 001 dort noch als kohlegefeuerte Lokomotive mit Öl-Zusatzfeuerung, während 10 002 ab Werk mit Ölfeuerung geliefert wurde. Da sich diese Feuerungsart mittlerweile bewährt hatte, wurde die 10 001 im Jahr 1959 ebenfalls mit Öl-Hauptfeuerung ausgerüstet, die wartungsintensive Kohle-Nachschubvorrichtung im Tender war nun Geschichte.

Mit einer Achslast von 22 Tonnen und ihrem etwas modifizierten, leistungsfähigeren Kessel war die 10 der Baureihe 01.10 in Sachen Zugkraft zwar überlegen, das hohe Gewicht schränkte aber ihren Einsatzbereich ein. So liefen sie fast ausschließlich auf der Nord-Süd-Strecke, zeitweise wurde im Norden bis Hamburg, im Süden bis Ingolstadt gefahren. Schon zum Winterfahrplan 1962/63 wurden die beiden 10er nach Kassel abgegeben; die 01.10 durften noch bis zur Aufnahme des elektrischen Betriebes im März bzw. Mai 1963 in Bebra bleiben.

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