Die Höllentalbahn

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Die Baureihe 85
Man nehme das Fahrwerk der Baureihe 44, füge hinten eine Laufachse an und setze den Kessel der Tenderlokbaureihe 62 drauf – fertig ist die Baureihe 85! Nun, ganz so einfach war das nicht, aber das Prinzip der Einheitslok machte es möglich: Die Reichsbahn bestellte bei Henschel zehn Lokomotiven der Bauart 1’E1’h3t, welche 1932/33 geliefert wurden. Ihre knapp 20 Tonnen Achslast waren auch kein Problem, weil der Oberbau der Höllentalbahn inzwischen verstärkt worden war. Völlig neu gebaut wurde der Ravenna-Viadukt (bis 1928).

Die Maschinen schlugen sofort gut ein, waren bis zu 80 km/h schnell und enorm zugkräftig. Mit ihnen konnte der Betriebsablauf rationalisiert und beschleunigt werden. Alle wurden im Bw Villingen, Lokbahnhof Neustadt stationiert. Dieser wurde schon 1933 dem Bw Freiburg zugeschlagen. Zum Fahrplanwechsel am 8. Oktober 1933 konnte die letzte Zahnradlok abgestellt werden.

Neun Maschinen der Reihe 85 hielten durch bis 1961, 85 004 war im Krieg zerstört worden. 85 007 wurde zum Bw Wuppertal-Vohwinkel abgegeben, sie schob auf der Steilrampe Erkrath – Hochdahl schwere Züge nach.

Erstaunlich aus heutiger Sicht bleibt, dass die 85er auch nach der Elektrifizierung der Höllentalbahn nicht überflüssig wurden. Erst die Systemumstellung von 1960 und die E 44 mit elektrischer Bremse machten die wuchtigen Dampfloks entbehrlich. Die 85 007 blieb erhalten und gehört der Stadt Freiburg. Sie wird (nicht betriebsfähig) von der Bahn-Sozialwerk-Gruppe erhalten. Die Lok ist im ehemaligen Bahnbetriebswerk Freiburg unter einem Schutzdach abgestellt.

Die Elektrifizierung
Die Ungarische Staatsbahn MAV hatte ihre Hauptstrecke von Budapest nach Hegyeshalom elektrifiziert. 1934 wurde der Betrieb mit neuen Elloks eröffnet. Das Besondere daran war, dass 50-Hz-Drehstrom aus dem Landesnetz verwendet wurde. Der Ingenieur Kálmán Kandó hatte die dafür nötigen Phasenumformer-Lokomotiven entwickelt.

Die Idee, den 50-Hz-Drehstrom direkt aus dem Landesnetz zu entnehmen und nicht erst aufwändig in Einphasenwechselstrom mit einem Drittel der Frequenz umwandeln zu müssen bzw. in eigenen Kraftwerken zu erzeugen, war auch für die Reichsbahn von großer Anziehungskraft. Die Verantwortlichen waren zu Beginn der 1930er-Jahre auf der Suche nach einem geeigneten Einsatzbereich. Dieser sollte keine Berührung mit anderen elektrifizierten Strecken aufweisen und betrieblich anspruchsvoll sein, um die Lokomotiven wirklich an die Leistungsgrenze zu bringen. Die Höllentalbahn erfüllte diese Bedingungen.

1933 wurde der Auftrag zur Elektrifizierung mit 20.000 Volt und 50 Hertz erteilt. Parallel erfolgte die Auftragsvergabe an die Lokomotivbaufirmen zum Bau von vier Versuchslokomotiven (siehe Kasten). Alle vier Lokomotiven hatten Testmodellcharakter und waren zum Teil hochkompliziert. Hier wird verständlich, warum trotz der Elektrifizierung der Höllentalbahn die zehn Dampflokomotiven der Baureihe 85 weiterhin unentbehrlich blieben. Sie bildeten die sichere Rückfallebene des Betriebes bei Störungen der elektrischen Außenseiter.

Für die Stromversorgung war bei Titisee ein Unterwerk errichtet worden, das mit einer nur 18 Kilometer langen Zuleitung aus Löffingen mit 110-kV-Strom aus dem Netz der Badenwerke versorgt wurde.

Probleme bereiteten vor allem die recht engen Tunnel. Man wollte wegen der höheren Spannung absolut sicher gehen und einen größeren Abstand der Fahrleitung gegen Erde erreichen. Gleise wurden abgesenkt, und die Zick-Zack-Hängung der Fahrleitung wurde schlanker gewählt, was – wie in der Schweiz – zu schmaleren Wippen der Stromabnehmer führte. Bei den Tests stellte man über die Jahre hinweg fest, dass dies alles gar nicht nötig gewesen wäre.

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