Die Moderne von früher: Baureihe 103

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Jetzt also sollte die Ära dieser interessanten Lokomotive enden. Das war der Moment, in dem ich mein Herz für die 103 entdeckte. So viel wie möglich wollte ich nun von dem aufregenden Star aus Bundesbahn-Tagen miterleben. Alles noch mitnehmen, bevor es vorbei war. Ich entwickelte mich zum spät berufenen Fan.

Die Baureihe 103: Ein dankbares Sammelobjekt

Rasch stellte ich fest, dass ich mir ein dankbares „Arbeitsgebiet“ ausgesucht hatte. Die Serienmaschinen waren noch munter unterwegs und hielten mich gut auf Trab. Zumal ich erkannte, dass es bei den 103ern eine Menge zu entdecken gab: Ich konnte Loks sammeln wie Fußball-Bilder für ein Sticker-Album. Meine Klinsmanns, Ronaldos und Beckhams hießen eben 103 1 09 (die Erste von allen), 103 118 (die 250-km/h-Superschnellfahrlok), 103 220 (der Paradiesvogel im Touristiklook) oder 103 245 (das Nesthäkchen, weil: die Letzte von allen). Manche Sammelmotive bekam ich mehrfach und in verschiedenen Versionen fürs Album. So wie 103 233. Als ich sie im Frühjahr 1999 in Stuttgart- Feuerbach mit einem IC Richtung Norden traf, trug sie das Orientrot-Lätzchen-Design der Bundesbahn. Später gab es ein Wiedersehen in Berchtesgaden, in Heidelberg und bei Mittenwald – jeweils mit besonderer Note, denn Dank einer Fan-Initiative hatte die Maschine inzwischen das verkehrsrote Kleid der DB AG erhalten. Die einzige 103 in diesen Farben, das war schon eine Bereicherung meiner Kollektion.

Was mich noch mehr beflügelte: Mittlerweile gestalteten sich die Einsatzgebiete der Baureihe ähnlich spannend wie der Lokbestand. Die 103 trat nämlich gar nicht so schnell ab wie in der Meldung angekündigt. Im Gegenteil, die „alte Dame des ICVerkehrs“ (so sah die DB AG sie ja wohl) durfte sich Ende der 1990er-Jahre und/oder Anfang des neuen Jahrtausends in besonders vielen Bereichen austoben. 103er zogen EuroCity-Züge nach Österreich – gut, das war traditionell. Sie übernahmen Inter Regios nach Flensburg – schon prickelnder, ging es dabei doch über die Hochbrücke Rendsburg. Oder sie bespannten Nachtzüge mit Talgo- Wagen – immer wieder lustig anzuschauen, weil sich die Einachs-Garnituren kurios hinter die bulligen Maschinen duckten. Und das war bloß eine erste Auswahl. Die DB verwendete die 103 auch für Auto reisezüge, für ICE-Ersatzzüge (notgedrungen), für Sonderzüge zur Love Parade oder zur EXPO-2000-Weltausstellung. Welch ein Schlaraffenland im Betriebsmaschinendienst tat sich da auf. Und ich hatte das Glück, mittendrin zu sein.

Ha, doch noch eine Verlängerung!

Ganz nebenbei schwang sich die 103 zur Königin der Comebacks auf. Ich weiß nicht mehr, wie oft die Bahn AG den Abschied der Baureihe angekündigt hat. Aber ich weiß, dass es oft war, öfter als bei jeder anderen Baureihe, und dass sich die Schnellfahr-Ellok stets hielt oder nach einer Pause irgendwie zurück kam. Schlimmstenfalls in reduziertem Umfang. Jede dieser Verlängerungen, Neuankündigungen, Umstellungen nahm ich mit großem Hallo auf. Ha, „meine Lok“ hatte es wieder geschafft! Doch noch eine Verlängerung der Dienstzeit, erneut eine überraschende Wende. Mochte es mit den Jahren stiller um sie werden: Die 103 war außergewöhnlich, die 103 war unverwüstlich. Selbst wenn am Ende nur eine Handvoll Maschinen im Betriebsbestand übrig blieb.

Ich muss aber auch zugeben, dass es mir meine Lieblingslok anfangs nicht gerade leicht machte, jedenfalls nicht beim Fotografieren. Warum nur erwischte ich bei Sonnenschein die orientrot lackierten Exemplare und so gut wie nie die viel begehrteren, weil originalen Versionen in Rot-Beige? Und wenn rot-beige, wieso bekam ich dann die abgehalfterten Vertreterinnen vor die Linse? Oder die „Entblätterten“ ohne die eindrucksvolle Pufferverkleidung? Sei’s drum, 103 war letztlich dann doch 103. Da sollte man nicht meckern.

... und noch ein weiteres Sammelgebiet

Ergänzend zu den Foto-Aktionen entdeckte ich mit der Zeit ein weiteres Sammel gebiet: Werbung und Illustrationen. Es begann mit Schnee kugeln, bei denen man eine Kleinausgabe der 103 in Schneegestöber wirbeln konnte – gemäß dem Bundesbahn- Slogan „ein Wetter zum Schütteln“ (eine andere Form von: Die Bahn fährt immer). Auf die Kugeln folgten Prospekte, Zugbegleiter, Briefmarken und manches mehr. Die Auswahl ist, passend zur Bedeutung der Bundesbahn-Klassikerin, reichhaltig.

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