Die Unglücksraben

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Im März 1987 fanden schließlich die ersten „Gehversuche“ statt, im April gab es erste Betriebseinsätze, die alle mit einer „Angstlok“ erfolgten. Erstmals am 27. April 1987 wagte man die Bespannung eines IC allein mit einer 120. Die erste Abnahme erfolgte schließlich am 29. Juni 1987 (120 101). Im Juli 1987 wurde die Baureihe 120.1 im Rahmen einer Feier im Bh Nürnberg Rbf – wo alle 60 Loks beheimatet wurden – offiziell dem Betriebsdienst übergeben. An der Drehscheibe hatten sechs verschiedene Baureihen (103 117, 111 227, 120 005, 150 036, 151 150, 194 578) Aufstellung genommen und begrüßten mit langem Pfeifen die 120 104, die auf der Drehscheibe eine Ehrenrunde drehte.
In der Folgezeit wurden die Loks zunächst von Ausstellung zu Ausstellung gereicht. Ab September waren die 120.1 zu Personalschulungszwecken unterwegs. Im Oktober 1987 kam erstmals ein regelmäßiger Einsatz zustande, obwohl schon zum Sommerfahrplan 1987 drei Umlaufpläne für 18 Maschinen aufgestellt worden waren. Zeitweise konnten zahlreiche Loks wegen Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit nur im Güterverkehr eingesetzt werden.
Zum Sommerfahrplan 1988 wurden die ersten Teilstücke der Neubaustrecke Würzburg – Hannover fertiggestellt. Hier fanden die 120.1 ihre Paradestrecke. Sie übernahmen die IC zwischen München und Hamburg via Augsburg/Würzburg, so dass kein Lokwechsel erforderlich war und legten Tausende von Kilometern zurück.
Trotz aller Störungen und Hemmnisse – dazu mehr unten – lagen die durchschnittlichen monatlichen Laufleistungen pro Lok 1989/90 zwischen 21.000 und 23.000 Kilometern, 1991 sogar fast bei 30.000 Kilometern und damit höher als bei allen anderen Baureihen. Dieser Umfang war natürlich dem schnellen und kilometerintensiven Einsatz über die NBS geschuldet, zeigen aber auch die Erfolge in den Bemühungen um die Stabilisierung des Zustandes.
Diese Glanzzeit ging aber schon nach vier Jahren zu Ende. 1991 waren die beiden Neubaustrecken Stuttgart – Mannheim und Würzburg –Hannover in vollem Umfang fertiggestellt und die ersten ICE einsatzfähig. Die Baureihe 401 übernahm den Liniendienst Hamburg – München und entsprechend gingen die Laufleistungen der 120.1 zurück. Der Ausbau des ICE-Netzes verdrängte die 120.1 mehr und mehr in Dienste vor IR und auf weniger wichtige Linien. Bis zur vollständigen Indienststellung der Baureihe 101 übernahm die 120 nochmals eine wichtige Rolle auf den IC-Linien, wobei ihr die Wendezugsteuerung kurze Zeit Vorteile verschaffte. Das alles führte zunächst zu einer deutlichen Ausdehnung des Einsatzgebietes, doch schon Mitte der 1990er-Jahre war die 120 auch in untergeordneten Diensten im Nahverkehr und vor Abstellzügen zu finden, ein deutliches Zeichen dafür, dass man nicht so recht wusste, was man mit dieser Lok anfangen sollte.
Der Philosophiewechsel – weg von lokbespannten Wagenzügen hin zu Triebzügen – verhinderte eine Anschlussbestellung, obwohl eine Baureihe 121 als Ersatz für die fast 3.000 konventionellen Elloks bereits geplant und zahlreiche Komponenten in den 1990er-Jahren erprobt wurden. Nach Gründung der DB AG und der Aufteilung des Konzerns in verschiedene Geschäftsbereiche verbunden mit der Zuordnung aller Triebfahrzeuge zu einem bestimmten Bereich wurde eine Universallok endgültig überflüssig. Jetzt hat jeder Geschäftsbereich wieder eigene Loktypen, zugeschnitten auf einen ganz bestimmten Einsatzbereich. Die Baureihe 120.1 wurde dem Bereich Fernverkehr zugewiesen. In zwei Schritten wurden alle 120.1 von Nürnberg Rbf – nach einer Zwischenstation beim Werk Nürnberg Hbf – zum Werk München Hbf umbeheimatet. Zwei Loks wurden 2005 an DB Systemtechnik abgegeben: 120 160, jetzt als 120 502 (DB Netze seit 1.8.2009/Einsatz für DB Fahrwegmessung Minden) bezeichnet und 120 153 (neue Nummer: 120 501). Sie sind vor Messzügen, Überführungsfahrten, bei Lokmangel aber auch im regulären Fernverkehr zu beobachten. Die Loks tragen eine auffällige Beschriftung der Systemtechnik auf den Seitenwänden. 120 158 ist unfallbedingt ausgeschieden und wird als Ersatzteilspender genutzt.

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