Görlitz: Seit 1847 per Bahn erreichbar

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Von der Visafreiheit im Reiseverkehr mit Polen zum Jahresbeginn 1972 hatten sich die beteiligten Bahnen mehr versprochen. Für Nachbarschaftsbesuche und Urlaubsfahrten dominierte nun der Pkw. Das an den Wochenenden zwischen Dresden und Karpacz (Krummhübel) eingesetzte D-Zug-Paar ins bislang nur schwer erreichbare Riesengebirge fand zunächst interessierte Fahrgäste, sollte jedoch dauerhaft keinen Bestand haben.

Im Winterfahrplan 1977/78 waren es immerhin fünf Zugpaare pro Tag zwischen Warschau, Krakau, Kattowitz und Przemysl einerseits sowie Leipzig, Eisenach, Paris und Berlin Ostbahnhof andererseits. Die Zahl blieb fortan jedoch auf vier bzw. drei begrenzt, wobei nun auch Rzeszow und Lublin als Ausgangs- bzw. Endpunkte fungierten, auf deutscher Seite zusätzlich München. Nach Ende der Dampftraktion führten die polnischen Diesel-SU 46 die Züge ab/bis Görlitz.

Die Fahrplantabelle B 7 des Deutschen Kursbuches wies in den Jahren 1993 bis 2000 im Wesentlichen die D 450/451 Warschau – Frankfurt (Main), D 452/451 Warschau – Leipzig und D 456/457 Breslau – Dresden aus, nachdem 1993 das bis dahin verkehrende saisonierte Zugpaar D 464/465 Warschau – München „wegen mangelnder Nachfrage“ bereits entfallen war.

Nur noch einmal, im Fahrplanjahr 2001/2002, gab es sechs Zugpaare zwischen Dresden und Breslau, neben einer Nachtverbindung von und nach Warschau. Doch schon 2002/2003 waren es nurmehr zwei Interregio-Garnituren pro Tag und Richtung zwischen Dresden und Breslau; 2003/2004 sollte es sogar lediglich noch ein IR zwischen der Elbmetropole und der polnischen Hauptstadt sein – nicht nur für Görlitz und seine Besucher ein großer Verlust.

Eine der schönsten Städte Deutschlands
Bei der Stadt an der Neiße mit ihren böhmischen, sächsischen, preußischen und nicht zuletzt schlesischen Einflüssen handelt es sich um das größte Flächendenkmal Deutschlands. Mit insgesamt 4.000, meist sorgfältig restaurierten Baudenkmälern, zählt das historische Stadtbild zu den besterhaltenen in ganz Mitteleuropa. Und nicht zu vergessen: Durch die Lage auf dem 15. Meridian zeigt die Uhr hier exakt die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) an.

… und rechts der Neiße?
Durch die Trennung der Stadt, die mittlerweile einer erfreulichen Kooperation mit Zgorzelec (dem früheren Görlitz-Moys) gewichen ist, haben sich auch Verkehrswege und -ströme verändert. Die einstige Schlesische Gebirgsbahn (SGB), deren elektrische Ausrüstung von den Sowjets demontiert und ebenso wie die verbliebenen deutschen Elektrolokomotiven als Reparationsgut abtransportiert worden war, hat im westlichen Abschnitt das zweite Gleis und planmäßige Reisezüge von und nach Görlitz verloren.

Dank einer 1948 von Polen erbauten eingleisigen Verbindungskurve zwischen Zgorzelec Miasto und der SGB bestand für die PKP jedoch die Gelegenheit eines durchgehenden Betriebs zwischen den Bahnlinien von/nach Wegliniec (Kohlfurt) einerseits und der Schlesischen Gebirgsbahn andererseits.

Dies reduzierte zugleich aber auch einen dauerhaften Schienenpersonenverkehr zwischen Breslau oder dem einstigen Waldenburg und Jelenia Góra (Hirschberg), Luban (Lauban) und Görlitz über den wiederaufgebauten Neiße-Viadukt. Selbst der Schienenpersonenverkehr Luban – Zgorzelec wurde „aufgrund fehlender Frequentierung“ im Jahr 2002 eingestellt.

Der Versuch einer Wiederbelebung ab Dezember 2008 hatte nur weniger als ein Jahr Bestand. Bleibt zu hoffen, dass den erneuten Bemühungen unter kompletter Regie der Koleje Dolnoslaskie (Niederschlesische Eisenbahn, Regionalbetrieb im Besitz der Wojewodschaft) seit Dezember 2011 dauerhafter Erfolg beschieden sei und letztlich auch Görlitz wieder angeschlossen wird.

Planmäßig wieder Dresden – Breslau
Seit dem 1. März 2009 besteht auch wieder planmäßiger Reisezugverkehr zwischen Dresden und Breslau. Dabei kommen Dieseltriebwagen der Baureihe 642 der Deutschen Bahn als Regional-Express zum Einsatz.

Die Erwartung einer baldigen Elektrifizierung ist durchaus realistisch, haben doch beide Staaten am 30. April 2003 ein Abkommen unterzeichnet, das „die Zusammenarbeit bei der Weiterentwicklung der Eisenbahnverbindungen Berlin – Warschau und Dresden – Breslau einschließlich des Abzweigs Hoyerswerda – Kohlfurt“ vorsieht und zum Teil bereits realisiert wurde. Fakt ist aber auch, dass inzwischen die Autobahn zwischen Dresden, Görlitz und Breslau fertig ist. In erstklassiger Qualität …

Von Friedhelm Ernst

Ein Artikel aus LOK MAGAZIN 11/12.
 

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