Im Führerstand: Auf der 01 069

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Ich rief jedenfalls besagte Nachbarin von einer öffentlichen Telefonzelle aus Neustadt an und konnte es kaum glauben, dass Herr Buhr bereits in ihrer Wohnung war und auf meinen Anruf wartete. Er war auf Grund meiner Notiz in seinem Briefkasten vollkommen informiert, würgte das Gespräch alsbald ab und vereinbarte mit mir ein Treffen in Dresden. Dies fand dann am 25. Februar 1976 in einem Café nahe beim Hauptbahnhof statt, wäre aber um ein Haar von einem eifrigen Transportpolizisten noch vereitelt worden.

Ich war nämlich in Elsterwerda und hatte dort die Absicht, die Einfahrt des D 671 aus Berlin mit einer Reko-01 zu fotografieren. Ich meinte, mich so positioniert zu haben, dass meine Absicht von den Reisenden nicht wahrgenommen werden könne, war aber dadurch im Blickfeld des nördlichen Bahnhofsstellwerks. Es kann nur der dort Dienst verrichtende, „110-prozentige“ Stellwerker gewesen sein, der veranlasste, dass ein Transportpolizist zielstrebig auf mich zukam, obwohl der D 671 noch gar nicht sichtbar war. Ich gab sofort meine Absicht auf. Da aber manchmal gerade Banalitäten Spekulationen provozieren, meinte er, dass es da etwas zu klären gäbe. Ich reimte mir schnell zusammen, dass mir ein Diplomingenieur der Deutschen Reichsbahn ausdrücklich versichert habe, dass ich vom Bahnsteig aus ungehindert Lokomotiven fotografieren dürfe und dass ich mit diesem Herrn in einer Stunde in Dresden verabredet sei. Währenddessen fuhr die 01.15 an mir vorbei. Der Mann war plötzlich derart verunsichert, dass er mich gehen ließ und mir obendrein sogar noch eine gute Reise wünschte.

Hätte er jetzt unbedingt den läppischen Sachverhalt klären wollen, wäre ich erst um über zwei Stunden später in Dresden eingetroffen, das Treffen mit Herrn Buhr hätte so nie stattgefunden und möglicherweise wäre mir jede weitere Lust vergangen, mich auf irgendein Abenteuer einzulassen. Herr Buhr entschuldigte sich für seine Schreibfaulheit und bestätigte, alle Post für Zabelhofstr. 11 vor mir erhalten zu haben, riet mir aber gleichzeitig von weiterem Briefverkehr aufgrund der Aktivitäten einer gewissen Behörde ab. Am besten sei nur das Gespräch unter vier Augen, da die Leute von der „grauen Zunft“ die Briefe durchwegs mitlesen würden.

Da ich ja irgendwie zu des Pudels Kern kommen musste, stellte ich nunmehr die unumgängliche und alles entscheidende Frage: „Aber Sie wissen schon, was ich überhaupt von Ihnen will?“
Elektrisierende Spannung! Seine Antwort war, dass er zur Zeit nicht im Fahrdienst sei, er habe betriebliche Unregelmäßigkeiten zu bearbeiten und mache überwiegend Bürodienst, womit alles sein Bewenden hätte haben können.

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