Im Führerstand der 65 1042

Seiten

In Elgersburg ist Kreuzung mit einem aus Schleusingen kommenden Personenzug. Er ist bereits mit einer Lok der Baureihe 118 bespannt. Dann geht es weiter. Der Fahrdienstleiter kommt, nachdem er die Weichenstraße gestellt hat, aus seinem Stellwerksraum auf den Bahnsteig. Im Gehen knöpft er seine Uniformjacke ordentlich zu und setzt seine rote Dienstmütze auf.

Es folgen ein kurzer Wortwechsel mit dem Lokführer, dann der Blick zur Bahnhofsuhr. Der Zeiger rückt vor, und er hebt die „Kelle“, seinen Befehlsstab. Bei uns im Führerstand wiederholen sich die Handgriffe wie gehabt, und die 65 1042 dampft weiter in Richtung Ilmenau.

Hinter Ilmenau-Roda, im Einschnitt unter der Brücke der F 4 – heute B 4 –, liegt der Brechpunkt der Strecke, hier geht die Steigung in ein nicht zu unterschätzendes Gefälle über. Der Heizer hat schon den Hilfsbläser angestellt. Ich schließe den Regler langsam, lege die Steuerung aus und warte, bis der Schieberkastendruck auf Null gesunken ist, dann lege ich sie auf zehn Prozent aus. Die Schieberkörper ruhen jetzt fast in der Mittellage und die Lok rollt ohne Widerstände zu Tal.

In weiten Bögen geht es der Kreisstadt entgegen. An der Jäcklein-Brauerei muss ich auf zehn Stundenkilometer abbremsen, Grund ist ein unbeschrankter Bahnübergang. Der erfordert auch mehrmaliges Pfeifen. Hier hat es immer wieder Unfälle durch unachtsame Autofahrer gegeben.

Der Heizer arbeitet mit dem Schürhaken das heruntergebrannte Feuer durch. Schlacke ist kaum entstanden, gut gefeuert, gut gefahren! Das Einfahrsignal in Ilmenau ist frei. Wir kommen am Bahnsteig zum Halten, Ende der Zugfahrt. Der Heizer kuppelt ab. Dann setzen wir um, messen noch einmal den Bahnhof aus und rollen in den kleinen Lokbahnhof. Nun ist Zeit für eine Nachschau an der Lok, für frisches Wasser und die Pflege der 65 1042. Das war 1974 und ist nun 35 Jahre her.

Ich bin inzwischen hunderttausende Kilometer auf Lokomotiven aller möglichen Bauarten gefahren. Doch diese, noch oft wiederholte Ilmenau-Tour, werde ich nie vergessen …   

Michael Lüdecke

Ein Artikel aus LOK MAGAZIN 03/10

Seiten

Tags: 
Weitere Themen aus dieser Rubrik

ET 184 41, 42/ ET 185 01: Elektrische Pioniere

Am 4. Dezember 1895 eröffnete die Localbahn AG in Württemberg zwischen Meckenbeuren und Tettnang die erste elektrische Vollbahn in Europa.

Für den...

weiter

Baureihe 140 im Emsland: Die Funken schlagen

Im Emsland tummelten sich früher die Dampflokfans. Doch Geschichte wiederholt sich: Das Emsland zieht heute Ellok-Nostalgiker an. Warum das so ist, lesen Sie hier!

Lokführer im Ruhrgebiet in den 1970ern: Oft um den Kirchturm herum

In den frühen 1970er-Jahren arbeitet Peter Schricker als Lokheizer im Bahnbetriebswerk Duisburg-Wedau. Seine Dampflok-Einsätze sind die typischen jener Jahre:... weiter