Im Porträt: Siemens-ER 20

Kürzlich hieß es, die EuroRunner sind ausverkauft. Das stimmt – und ist auch ein Werbegag von Siemens. Denn die Loks werden nicht mehr gebaut, jedenfalls nicht in dieser Form.

 
Solch kuriose Bespannungen sind auf dem Südbahn-Abschnitt Wien – Wiener Neustadt zu sehen: Am 20. Juni 2008 sind die 2016 032 und die 2016 016 als Zug 7785 bei Pfaffstätten unterwegs, um in Wiener Neustadt geteilt zu werden. Foto: Markus Inderst © Markus Inderst
Siemens verkündete Ende Juli 2012 den Ausverkauf der beliebten EuroRunner-Familie. Insgesamt wurden 181 Loks gebaut, von denen der Großteil an die ÖBB abgeliefert wurde, weitere Loks gingen an verschiedene Eisenbahnverkehrsunternehmen sowie Leasinggesellschaften.

Da Siemens die definitiv letzte Lok an Adria-Transport mit Sitz in Koper, Slowenien, liefern wird, ist dies ein Grund, diese Dieselloktype näher zu porträtieren, immerhin wurden diese von 22 Kunden aus sechs Ländern erworben. Die ÖBB haben gegen Ende des letzten Jahrtausends mit einer umfassenden Modernisierung ihres Lokomotivparkes begonnen.

Neben dem Bau der bekannten Taurus-Flotte im E-Sektor (EuroSprinter-Familie) wurden auch neue Streckendieselloks mit 2.000 kW-Leistung als Reihe 2016 aus der EuroRunner-Plattform und schwächer motorisierte Verschubdieselloks, Reihe 2070, beschafft.

Die Entstehung der EuroRunner-Plattform geht auf das Jahr 1998 zurück, als die ÖBB eine Ausschreibung für die Beschaffung neuer Streckendiesellokomotiven aufstellten. Siemens machte damals mit dem ER20 das Rennen, woraufhin die ÖBB zunächst 70 Loks bestellten und dann noch eine Option von 30 Loks zogen.

Der Hintergrund der Modernisierung war die stark veralterte Fahrzeugflotte an Streckendieselloks. Die ÖBB beschafften in den Jahren 1964 – 1977 jeweils 77 Stück Reihe 2043 (Jenbacher Werke, Achsfolge B’B’dm, 100 km/h Höchstgeschwindigkeit und 1.104 kW Leistung) und ebenfalls 77 Stück Reihe 2143 (Simmering Graz Pauker, Werk Wien, selbe Achsfolge und Höchstgeschwindigkeit mit 1.115 kW Leistung).

Hinzu kamen noch 18 Loks der Reihe 2050 aus den Jahren 1958 – 1962 (GM/Henschel, Achsfolge Bo’Bo’de, 100 km/h und 1.119 kW). Diese Fahrzeuge waren am Ende ihrer Lebensdauer angelangt und auch vom Gedanken des Umweltschutzes her nicht mehr zeitgemäß.

Zeitgemäße Produktionsmethoden, …
… unter diesem Schlagwort könnte man heute die Intention der Beschaffung zusammenfassen. Die neue Streckendiesellokomotive sollte wesentlich mehr können und auch im Betrieb flexibler einsatzbar sein als ihre betagten Vorgängerinnen. Unter diesem Gesichtspunkt stand auch der vermehrte Einsatz von Wendezügen oder auch der Funkfernsteuerbetrieb für Verschubarbeiten im Raum.

Ein wesentlicher Rationalisierungsfaktor stellte jedoch der Tandembetrieb dar, die Möglichkeit der Vielfachsteuerung. Die Übertragung der Steuerbefehle erfolgt über das UIC-Kabel und ist auch mit Elloks unterschiedlicher ÖBB-Typen kombinierbar.

Neuer Beschaffungsprozess
Der Beitritt Österreichs zur EU machte bis dahin übliche Gepflogenheiten obsolet, weshalb sich die bisherigen Hauslieferanten (SGP und Jenbacher Werke) dem internationalen Wettbewerb stellen mussten.

Die europaweite Ausschreibung brachte auch andere Interessenten hervor, wobei als Bestbieter und Sieger die Firma Siemens mit der neuen Produktplattform EuroRunner hervorging. Wesentliches Kriterium war auch, dass die Lok sowohl in Deutschland als auch in Slowenien einsetzbar sein sollte.

Mechanischer Teil
Der Fahrzeugaufbau war durch das geplante Einsatzgebiet im Netz der ÖBB bereits vorgezeichnet. Die Lok durfte 80 Tonnen Gesamtgewicht nicht überschreiten, weshalb der Fahrzeugaufbau in Integralbauweise erfolgte. Der Fahrzeugkasten ist als selbsttragende Leichtstahl-Schweißkonstruktion ausgeführt und umfasst den Kastenrahmen, die seitlichen Profil-Fachwerke und die Dachschrägen-Langträger.

An den Kopfenden des Fahrzeugrahmens befinden sich zur Schonung dessen Pufferträger-Deformationselemente. Die Verkleidung der seitlichen Profil-Fachwerke erfolgt durch Blechwände bzw. durch öffenbare Lüftergitter. Im Kasteninneren befinden sich noch Schottwände und Dachspriegel, die die abnehmbaren Stahl-Dachhauben tragen.

Die beiden, vorgefertigten Führerhäuser bestehen aus Stahl und sind mit Rammtraversen versehen und wurden auf den Rahmenenden aufgesetzt, darüber befindet sich die aus GFK gefertigte, nach vorne gewölbte Dachhaube. Die Führerstände sind über je zwei Führerstandstüren begehbar, der Maschinenraum ist durch zwei Seitengänge betretbar.

Der Kasten stützt sich über Sekundärfedern auf die Lager der modifizierten Drehgestelle der DB-Ellokbaureihe 152 ab, hergestellt im SGP-Werk Graz. Die Übertragung der Zug- und Bremskräfte erfolgt über tief reichende Drehzapfen.

Antriebsanlage

Seiten

Tags: 
Weitere Themen aus dieser Rubrik

ET 184 41, 42/ ET 185 01: Elektrische Pioniere

Am 4. Dezember 1895 eröffnete die Localbahn AG in Württemberg zwischen Meckenbeuren und Tettnang die erste elektrische Vollbahn in Europa.

Für den...

weiter

Baureihe 140 im Emsland: Die Funken schlagen

Im Emsland tummelten sich früher die Dampflokfans. Doch Geschichte wiederholt sich: Das Emsland zieht heute Ellok-Nostalgiker an. Warum das so ist, lesen Sie hier!

Lokführer im Ruhrgebiet in den 1970ern: Oft um den Kirchturm herum

In den frühen 1970er-Jahren arbeitet Peter Schricker als Lokheizer im Bahnbetriebswerk Duisburg-Wedau. Seine Dampflok-Einsätze sind die typischen jener Jahre:... weiter