Der Interregio - 1988 fuhr der erste Zug

Interregio - der "neue" D-Zug

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Produkt eines bewegten (Bahn-)Jahrzehnts

Doch der Reihe nach: In den achtziger Jahren versuchte die Bundesbahn, das angestaubte Image der Behördenbahn abzustreifen, sich ihren Fahrgästen gegenüber zu öffnen und neue Kreise als Reisende zu erschließen. Es wurde unter der Ägide des damaligen DB-Chefs Rainer Maria Gohlke eines der ereignisreichsten Jahrzehnte der deutschen Bahngeschichte, an Höhepunkten seien nur erwähnt:
– die Einführung der „CityBahn“ als neues, qualitativ hochwertiges Nahverkehrskonzept (1985);
– der Serienbau des 628 (1986);
– das neue und produktorientierte Farbschema der DB (1986);
– die Serienauslieferung der 120 (1987);
– die Fertigstellung der ersten Hochgeschwindigkeitsstrecke der DB 1988 (Fulda – Würzburg);
– die Weltrekordfahrt des ICE-Prototypen im Mai 1988 (406 km/h) und
– der InterRegio.

Der D-Zug, das kranke Kind

Hatte die DB Ende der siebziger Jahre mit dem zweiklassigen InterCity-Netz europaweit Neuland beschritten im hochwertigen Reiseverkehr, so waren die Züge dennoch nur wenig oberhalb der alten D-Züge angesiedelt. In den IC-Zügen lief weiterhin das Wagenmaterial, das seit 1954 den hochwertigen Fuhrpark der DB bildete: Leichte – anfangs nur in der 1. Klasse klimatisierte – 26,4- Meter-Wagen, wahlweise in klassischer Abteil- oder Großraumbauart, innen etwas freundlicher gestaltet, aber im großen Ganzen doch dem eher konservativen Denken der Gohlke-Vorgänger verhaftet. Das äußere Bild in TEE elfenbein-rot und türkisbeige wirkte eher langweilig.
Gewiss: Tempo, Takt und Knoten sorgten für einen großen qualitativen Fortschritt, aber: Der gute alte D-Zug verlor mehr und mehr an Attraktivität und Fahrgästen. Die D-Züge der achtziger Jahre liefen noch immer so wie 20, 30 Jahre zuvor.
Außen wie innen waren sie unzeitgemäß. Und für jede Mark, die die Deutsche Bundesbahn im DZug erlöste, setzte sie eine Mark zu. Der D-Zug war chronisch defizitär, der zweiklassige IC hatte das Defizit dagegen um 250 Millionen D-Mark jährlich reduziert.
Mit der 1985 mit umgebauten Silberlingen eingeführten City-Bahn zwischen Köln und Gummersbach wagte man sich erstmals seit Jahrzehnten auch abseits der Magistralen auf Neuland. Das Konzept kam an. In den folgenden Monaten begann man nicht nur ein neues Farbkonzept für Loks und Wagen zu entwerfen, sondern ging an die Planung des D-Zug Nachfolgers, der die Lücke zwischen dem Regional- und dem IC-Verkehr schließen und neue Kunden für das Unternehmen gewinnen sollte.
Das Kind hieß zunächst „XD“. Es war jedoch nie als Neuauflage der kurzlebigen DC (D-City-) Züge der siebziger Jahre gedacht, sondern als eigene Zuggattung, die wie der InterCity Tempo, Takt und Komfort auch in kleinere Städte mit bis zu 20.000 Einwohnern sowie – ganz wichtig – Urlaubs- und Kurorte bringen sollte.

Der „kleine Bruder“ des IC

Wie den IC plante man auch den IR – der Name InterRegio kam 1986 auf – als linienbasiertes, im starren Takt verkehrendes Zugsystem. Statt eines Stundentaktes wie beim IC war von Anfang ein Zwei-Stunden-Takt vorgesehen. 18 sich zum Teil überlagernde Linien sollten gebildet werden, so dass auf den wichtigsten Verbindungen (z. B. Hamburg – Hannover oder auf der Rheinstrecke Köln – Koblenz) IR-Züge im Stundentakt verkehren sollten. Der mittlere Halteabstand sollte bei 20 bis 50 Kilometern liegen, die Züge eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h auf den dafür ausgebauten Streckenabschnitten erreichen.
Wichtig war den Planern, das neue Produkt nicht nur außen, sondern vor allem auch innen neu zu gestalten. Ein unverwechselbares Design erschien ihnen als wesentliche Voraussetzung für den Erfolg des IR, der im Jahr 2000 (nach Planungsstand 1987) Gewinne einfahren sollte. Man wollte einen „Zug zum Wohlfühlen“ für Distanzen zwischen 100 und 500 Kilometern schaffen.

Das Wagenmaterial

Da der IR den D-Zug weitgehend ersetzen und der ICE auch einige IC-Linien ablösen sollte, standen weit über 1.000 der in den Jahren 1966 – 1978 gebauten Bm 234 und Bm 235 sowie nicht klimatisierte 1.-Klasse-Abteilwagen (Am 203 und ABm 225) zur Disposition. Nach einigem Hin und Her schuf man speziell für den Wagenpark des IR das Fahrzeugwerk in Weiden. Auf dem Gelände des ehemaligen Ausbesserungswerkes entstand eine der damals modernsten Waggonbaufabriken Europas, die PFA (Partner für Fahrzeug-Ausstattung GmbH), ein Joint-Venture der DB und der Flachglas AG.

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