Jubiläum in Sicht: Die Steilstrecke im Hunsrück

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Neben den Kalktransporten zwischen Stromberg und Langenlonsheim hat lediglich das kurze Stück vom linksrheinisch gelegenen Boppard auf die Höhe nach Emmelshausen alle bisherigen Stilllegungswellen überstanden und sieht nach einer langen Phase der Unsicherheit nun sogar einer ge­sicher­ten Zukunft entgegen. Das in diesem Jahr anstehende hun­dert­jäh­rige Jubiläum dieser Strecke soll Anlass sein, auf den in vielerlei Hinsicht interessanten Abschnitt der Verbindung Boppard – Simmern näher einzugehen.

Das Zeitalter der Eisenbahn im Hunsrück begann 1889, als sowohl die Relationen Trier – Hermeskeil als auch Simmern – Langenlonsheim in Be­trieb genommen wurden. Der Lückenschluss zwischen Simmern und Hermeskeil, die sogenannte Hunsrückquerbahn, konnte bis 1903 vollendet werden, schon 1897 konnte man von Türkismühle an der Nahebahn nach Hermeskeil reisen.

Parallel dazu bemühte man sich um eine Streckenergänzung von Simmern aus nordwärts. Während eine Verbindung nach Kastellaun schon 1901 reali­siert wurde, debattierte man in der Folge, ob das Mosel- oder das Rheintal als Endpunkt dieser Linie bevorzugt werden sollten. Dem um­fang­reichen Engagement der Stadt Boppard war es schließlich zu verdanken, dass man von Kastellaun über Pfalzfeld (Eröffnung am 1. Ok­to­ber 1906) und Buchholz ab dem 3. August 1908 vom Hunsrück zum Rhein reisen konnte. Den Schlusspunkt des Bahnbaus im Hunsrück bildete schließlich die Stichbahn von Simmern nach Gemünden, die kriegsbedingt erst im Jahr 1922 fertiggestellt wurde, der aber mit der Einstellung des Betriebes am 24. September 1963 und dem 1965 folgenden Abbau auch die kürzeste Lebenszeit aller Hunsrückstrecken beschieden war.

Waren aufgrund der Topographie des Hunsrücks schon diverse Kunstbauten errichtet worden (erinnert sei nur an die beeindruckenden Viadukte von Hoxel und Deuselbach an der Querbahn), so stellte der Höhenunterschied von 328,5 Metern zwischen dem Rheintal und Buchholz eine besondere Herausforderung an die Ingenieure dar. Die direkt nach dem Bahnhof Bop­pard einsetzende Steigung von 1:16,5 (60,6 Promille) zwang bis zum Ende der zwanziger Jahre zum Zahnradbetrieb auf 5,5 Kilometern Länge mit einer Zahnstange des Systems Abt. Außerdem erforderte der Verlauf durch das Mühltal umfangreiche Hangarbeiten, fünf Tunneldurchstiche und mehrere Brückenbauten, deren bekannteste das 130 Meter lange und fast 50 Meter über der Talsohle verlaufende Hubertusviadukt darstellt. Die Fahrt über die Steilstrecke, streng geregelt durch spezielle Vorschriften, stellte von Beginn an ein besonderes Erlebnis für die Reisenden dar. Eine zeit­ge­nössische Schilderung von Oskar Maixner, erstmalig veröffentlicht in der Ausgabe Nr. 3 der Heimatschrift „Rund um Boppard“, lässt diese Eindrücke nachempfinden:

„Die Betriebsmittel dieser Bahn waren – wie damals überall auf Ne­ben­bahnen – bescheiden. Es gab Personenwagen älterer Bauart mit Plattformen, an denen die Bremsen besonders verstärkt waren. Der Pack­wavgen ent­hielt ein Abteil für die Post. Die Züge bestanden zur Zeit unserer Beobachtungen (1917 – 1927) meistens aus einem Pack- und einem Postwagen, drei Personenzugwagen und einem Güterwagen. Es kamen aber auch selbstständige Güterzugfahrten vor, da sich in Buchholz und Umgebung Handwerks- und kleinere Industriebetriebe angesiedelt hatten. Befördert wurden die Züge von der preußischen T 26 (C1’n4v-Zahnradtenderlok), unter denen sich auch eine Jubiläumslok von Borsig, Berlin-Tegel, von der Eisenbahndirektion Mainz, befand, und zwar Nummer 9005, E.D. Mainz, F.-Nr. 8000/1911, später 97 014). Waren die Züge zeitweilig schwerer als 4 – 5 Wagen, so wurde die ›arme T 26‹ bis weit hinter die Ausfahrt des Bahnhofs Boppard auf die Zahnstange geschoben. Schiebemaschinen waren preußische T 13 (Dn2-Güterzugtenderlok, spätere Reihe 925) von den Betriebswerken Koblenz-Mosel Gbf, bzw. Boppard.

Dann begann für die T 26 die mühselige Kletterfahrt über die Zahnstange. Es kam vor, dass die Lok vor einer beträchtlichen Steigung verschnaufen musste. Man hatte dann als Mitreisender die Freude, die herrliche Land­schaft von den hohen Viadukten zu bewundern, Ausblicke, an die man auf Fußpfaden sonst nicht herankam. War der Abschnitt bis Buchholz geschafft, dann fuhr die T 26 – meist ›völlig erschöpft‹ – auf ein Nebengleis, wo das Feuer wieder hochgebracht wurde.

Auf dem kleinen Bahnhof Buchholz, der mehr einer Haltestelle glich, spielte sich dann bis zur Weiterfahrt des Zuges nach Kastellaun – Simmern ein idyllisches Treiben ab. Der Wechsel der Loks geschah über eine mit der Hand betriebene Weiche. Der Zug fuhr dann mit melodischem Gebimmel der T 14 nach Simmern weiter. (...)

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