Keine neue Idee?

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Pläne vor »Stuttgart 21«
Um die deutschen Eisenbahnen in ein europäisches Hochgeschwindigkeitsnetz einzubinden, plante man Aus- und Neubaustrecken für Geschwindigkeiten bis zu 300 km/h.
Im Bundesverkehrswegeplan 1985 war der vordringliche Bedarf einer Kapazitäts- und Geschwindigkeitserhöhung im Korridor Plochingen – Günzburg der Relation Stuttgart – München ausgewiesen, als die neue Strecke Mannheim – Stuttgart bereits im Bau war. Hierzu wurden folgende Varianten untersucht (siehe auch Karte links):
Der drei- beziehungsweise viergleisige Ausbau der vorhandenen Filsbahn Stuttgart – Ulm auf 160 bis 200 km/h in verschiedenen Betriebsarten. Zur Umgehung der Geislinger Steige wurde von Süßen bis Beimerstetten ein flacherer Basistunnel durch die Schwäbische Alb geplant. Sodann sollte die Strecke nördlich an Ulm vorbeiführen und direkt nach Günzburg gelangen. Aus Sorge des Landes Baden-Württemberg um das Verbleiben Ulms am Fernverkehr wurden auch Lösungen mit Einbindung des Ulmer Hauptbahnhofs untersucht.
Alternativ hierzu wurden Trassenführungen einer Neubaustrecke von Plochingen durch das Albvorland über Süßen und Beimerstetten nach Günzburg untersucht, ebenfalls nördlich an Ulm vorbei beziehungsweise durch Ulm. Hierbei wurden Möglichkeiten der Ausfädelung aus der Strecke zwischen Stuttgart und Plochingen studiert. Variante 1 und 2 wiesen Höchstneigungen von 12,5 Promille auf und waren damit voll güterzugtauglich. Variante 2 wurde nach dem Aufkommen der Heimerl-Variante (H) modifiziert weiterverfolgt als „Variante K“, nach dem damaligen Chefplaner der Deutschen Bundesbahn, Krittian.
Nach diesen beiden Untersuchungen wäre eine unberücksichtigte Lücke von etwa 30 Kilometern im Schnellfahrnetz verblieben. Nach Ansicht des Stuttgarter Verkehrswissenschaftlers Gerhard Heimerl waren die Vorgaben des Untersuchungskorridors aus dem Bundesverkehrswegeplan zu eng. Er schlug 1988 vor, die Leistungslücke im Raum Stuttgart zu beseitigen, und zwar  mit folgendem, später Variante H genannten Konzept:
– Bau eines Durchgangsbahnhofs Stuttgart für die Relation Mannheim/Karlsruhe – München in Verbindung mit dem vorhandenen Kopfbahnhof, ein Rückgriff auf eine 90 Jahre alte Idee.
– Neubaustrecke Stuttgart – Ulm für Geschwindigkeiten von 250 bis 300 km/h, die aus ökologischen Gründen weitgehend mit der bestehenden Autobahn gebündelt sein sollte.
– Starke Streckenneigungen bis 35 Promille sollten Baukosten senken und für ICE- und leichte Güterzüge geeignet sein; der Schwerverkehr sollte weiterhin die vorhandenen Strecken über Geislingen und Aalen benutzen. Allen Lösungen gemeinsam sind lange Basistunnel durch das Karstgebirge der Schwäbischen Alb.

Der Bahnhof der Variante H
Die Planung des künftigen Durchgangsbahnhofs am bestehenden Hauptbahnhof samt vorhandener unterirdischer S- und Stadtbahn gestaltete sich anspruchsvoll.
Man entschied sich für einen unterirdischen Fernbahnhof in Querlage zum Hauptbahnhof und zur Talachse, in der Höhenlage zwischen den oberirdischen Kopfgleisen und der tief gelegenen S-Bahn. Er sollte parallel zur Querhalle zu liegen kommen und vier Bahnsteiggleise und -kanten erhalten. Der übrige Bahnhof sollte oben bleiben. Von einem Teilabriss des denkmalgeschützten Bahnhofsgebäudes und offener Bauweise der Bahntrasse durch den Schlosspark war keine Rede!
Beim erweiterten Variantenvergleich des Korridors Stuttgart – Augsburg Anfang 1990 wurde Heimerls Variante aus strategischen Überlegungen vom Vorstand der DB favorisiert. Gründe waren die gegenüber der Filstallösung schnellere und kürzere Verbindung sowie die Möglichkeit der
Anbindung des Stuttgarter Flughafens auf den Fildern. Auch die baden-württembergische Landesregierung favorisierte im September 1992 die Variante H mit voller Einbindung Stuttgarts in das Hochgeschwindigkeitsnetz und wünschte zusätzlich eine Flughafenanbindung mit Einführung der Gäubahn aus Richtung Zürich.
Im weiteren Verlauf der Planungen tauchte der Gedanke einer Verlegung des Hauptbahnhofs an den Rosensteinpark auf. Dieser Gedanke, der sich wie ein roter Faden durch die Stuttgarter Eisenbahngeschichte zieht, stieß jedoch auf erheblichen Widerstand, da die Aufgabe der bestehenden Verknüpfung von Fern-, S-, Stadtbahn und Bus im Stadtzentrum zu einem erheblichen Attraktivitätsverlust führen würde.
Damit war aber der Gedanke geboren, die gesamten oberirdischen Betriebsflächen der Stuttgarter Eisenbahnen aus dem Stadtbild zu tilgen und neuen Nutzungen zuzuführen. Das war die Schwelle zum umstrittenen Projekt „Stuttgart 21“.

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