Güterzug mit Personenbeförderung

Menschen und Güter

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Die Gründe dafür konnten unterschiedlicher Natur sein. Einmal boten Güterzüge mit Personenbeförderung zusätzliche Fahrmöglichkeiten außerhalb der Hauptverkehrszeiten, wenn die Güterbeförderung – wie auf vielen Stichstrecken der Regelfall – außerhalb der Hauptverkehrszeiten erfolgte: vormittags vom Abzweigbahnhof in Richtung Endstation, am Spätnachmittag zurück. Dann stand die Reisezuggarnitur ohnehin zur Verfügung, und die längeren Fahrzeiten aufgrund der Rangieraufenthalte fielen beim geringen Passagieraufkommen kaum ins Gewicht.

Einen anderen Grund für den Gmp boten Bahnlinien, die die DB gern für den Reiseverkehr stillgelegt hätte, wenn die Genehmigung dafür noch ausstand. So ließ man dort als „Alibizug“ gern ein Gmp-Paar verkehren. Ein Beispiel hierfür bietet die durch Grenzziehung aus einer einstigen Hauptstrecke entstandene Stichbahn Schöningen – Offleben im Braunschweiger Land. Der vier Kilometer kurze, auf BRD-Gebiet verbliebene Restabschnitt verlor bereits im Mai 1955 seinen Schienenreiseverkehr bis auf zunächst drei, später zwei gemischte Züge. Das Gmp-Paar hielt sich dann immerhin 19 Jahre, bis im Frühjahr 1974 die Strecke wegen Wegfalls der Kohlentransporte komplett stillgelegt wurde.

Auf der durch Grenzziehung unterbrochenen Strecke Hünfeld – Wenigentaft-Mansbach in der Vorderrhön führte die DB noch bis 1972 werktags einen bescheidenen Schienenpersonenverkehr zwischen Hünfeld und Treischfeld durch. Während es für den morgendlichen Berufsverkehr ein normales Nahverkehrszugpaar gab, verkehrte am frühen Abend die Rückleistung Treischfeld – Hünfeld als Gmp 8920. In den Bahnhöfen Großentaft und Eiterfeld muss sogar das mittlere Güteraufkommen noch nennenswert gewesen sein, denn es waren dort laut Sommerfahrplan 1969 immerhin zwölf bzw. 18 Minuten Rangieraufenthalt vorgesehen.

Nur für Insider
Interessant war die Situation auf der Nebenstrecke Coburg – Rodach (damals noch kein „Bad“!). Der bis in die frühen 1980er-Jahre hinein starke Güterverkehr bedingte zwar reine Nahgüterzug- bzw. Übergabefahrten, jedoch fanden sich beispielsweise 1973 beim in aller Frühe von Coburg eingesetzten Ng 17150 auch Reisezugwagen, die für den ersten Frühzug Rodach – Coburg benötigt wurden. Während der Ng anfangs sogar in der Kursbuchtabelle auftauchte, wurde er später für Außenstehende gestrichen. Nur im Buchfahrplan, dem Zugbildungsplan und auf den Aushangfahrplänen im Bahnhof Coburg fand sich als Fußnote der Hinweis „zur Personenbeförderung freigegeben“.

Ähnliches galt übrigens 1973 im Bereich der BD Nürnberg auch noch für Nahgüterzüge auf den Abschnitten Roth – Thalmässing, Neunkirchen am Sand – Simmeldorf-Hüttenbach, Bayreuth – Warmensteinach, Falls – Gefrees und Bischofsheim (Rhön) – Bad Neustadt (Saale).

Besonderheit: Schlepptriebwagen
Bei der nur vier Kilometer kurzen, der Regentalbahn AG (RAG) gehörenden Stichstrecke Deggendorf – Metten wurde der Reiseverkehr bereits in den frühen 1950er-Jahren weitgehend auf Busse verlagert. Die beiden verbliebenen werktäglichen Zugpaare verkehrten jedoch noch viele Jahre als Gmp – bis 1965 mit Dampflok, danach mit einem Schlepptriebwagen bespannt. Fiel bei diesem der Antrieb einmal aus, fungierte das Fahrzeug als bloßer Personenwagen und die Zugförderung übernahm eine kleine RAG-Diesellok.

Die Württembergische Eisenbahn-Gesellschaft (WEG) setzte auf ihren Nebenstrecken vorzugsweise Schlepptriebwagen ein und wickelte mit ihnen sowohl Personen- als auch Güterverkehr ab. Teilweise verkehrten die Züge als Gmp, in den Fahrplänen an der dreistelligen Zugnummer erkennbar. Selbstverständlich waren auch die Fahrzeiten der gemischten Züge entsprechend länger. Betrachten wir die 23 Kilometer lange Kochertalbahn von Bad Friedrichshall-Jagstfeld nach Ohrnberg. Während die drei sonntäglichen Triebwagenpaare über die Gesamtstrecke „richtige“ Personenzüge darstellten, sah es werktags anders aus. Die Hälfte der Fahrten bis/ab Ohrnberg wurde als Gmp durchgeführt.

DR: Wolf-Dietger Machel; DB: Ulrich Rockelmann

Ein Artikel aus LOK MAGAZIN 06/10

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