Mit Ölhauptfeuerung

Die Deutsche Reichsbahn rüstete zwischen 1976 und 1981 alle 17 1’E1’-Neubauloks im Harz mit einer Ölhauptfeuerung aus. Schon 1984 hatten alle wieder Rostfeuerung. Warum?
 
Juli 1979: Ein Güterzug in Richtung Hasserode hat gerade den Bahnhof Wernigerode-Westerntor verlassen. An der Spitze die ganz frisch mit Ölfeuerung versehene 99 0241 mit einer weiteren Neubaulok Hans van Engelen © Hans van Engelen
Silbern glänzen die Schienen in der Morgensonne. Vogelgezwitscher erfüllt die Luft im Thumkuhlental. In langen Bögen windet sich die meterspurige Harzquerbahn vom Bahnhof Steinerne Renne hinauf nach Drei Annen Hohne. Dabei überwindet die Strecke in Steigungen von 1 : 50 bis 1 : 30 auf nicht einmal acht Kilometer Länge einen Höhenunterschied von fast 230 Metern. Aus der Ferne nähert sich ein Grummeln. Immer näher kommt der unverwechselbare Zwillingstakt einer hart an der Leistungsgrenze arbeitenden Dampflok der Baureihe 99.023-024.

An der Spitze des morgendlichen Nahgüter­zuges 67.771 nach Benneckenstein zeigt die bestens gepflegte 99 0232 was sie kann. Die rund 140 Tonnen am Zughaken der Lok sind die zulässige Höchstlast für die Maschine. Doch der Heizer der 99 0232 lehnt sich – dank der Ölhauptfeuerung – entspannt aus dem Seitenfenster und beobachtet die Dampfwolken, die aus der Esse quellen.  Allerdings waren im Frühjahr 1982 die Tage der ölgefeuerten „Harz-Bullen“ gezählt. Aufgrund der Energiekrise in der DDR mussten die Maschinen bis 1984 wieder auf Kohlefeuerung zurückgebaut werden. Zehn Jahre zuvor hatte die Geschichte der Ölhauptfeuerung bei der Harzquer- und Brockenbahn begonnen.

Mehr Leistung ohne zu Schaufeln
In der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre befasste sich das Ministerium für Verkehrswesen mit der Zukunft der Schmalspurbahnen der Deutschen Reichsbahn. Mit Ausnahme der Strecken Nordhausen Nord – Wernigerode, Drei Annen – Hohne Brocken und Eisfelder Talmühle – Hasselfelde sollten alle anderen Bimmelbahnen bis Mitte der 1970er-Jahre stillgelegt werden. Doch diese Pläne waren 1972 hinfällig, da nicht genügend Lastkraftwagen und Omnibusse zur Verfügung standen und Mittel für den notwendigen Ausbau des Straßennetzes fehlten. Für die Harzquer- und Brockenbahn hatte dies gravierende Folgen, da deren Strecken nun modernisiert und der Betrieb rationalisiert werden sollte.

In diesem Zusammenhang erwogen die Reichsbahndirektion Magdeburg und die Hauptverwaltung der Maschinenwirtschaft (HvM) erstmals die Beschaffung von Dieselloks für die Schmalspurbahnen im Harz. Doch diese Idee konnte nicht umgesetzt werden. Zum einen fehlten im Schienenfahrzeugbau der DDR die Kapazitäten für die Entwicklung und die Fertigung der Maschinen, zum anderen war die geplante Stückzahl zu gering. Der Import leistungsfähiger Dieselloks war auch nicht möglich. Für den Import aus dem westlichen Ausland fehlten die Devisen und in den sozialistischen Bruderländern gab es keine geeignete Maschine. Um dennoch die Vorgaben des MfV hinsichtlich einer Rationalisierung des Betriebes auf der Harzquer- und Brockenbahn erfüllen zu können, schlug die HvM den Umbau der Baureihe 99.723-724 auf Ölhauptfeuerung vor.

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