Mit Ölhauptfeuerung

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Betrieblich brachte die Ölhauptfeuerung erhebliche Vorteile. Für die Lokheizer entfiel die schwere körperliche Arbeit, dennoch war die maximale Leis­tung ständig verfügbar. Der Aktionsradius nahm deutlich zu, so dass beispielsweise bei den durchgehenden Zügen nach Nordhausen Nord ein Ergänzen des Brennstoffvorrats zur Rückfahrt planmäßig nicht mehr notwendig war.
Im Betriebsdienst erwies sich der verwendete Brenner als wenig geeignet. Im unteren Leistungsbereich und bei Talfahrten, wo der Brenner nur auf kleiner Flamme laufen musste, bemängelten die Personale die ungenügenden Reguliermöglichkeiten. Aus diesem Grund entwickelte die Konstruktionsabteilung des Raw Görlitz für die „Harz-Bullen“ einen kleineren Brenner, der nach dem Abnahmeinspektor des Werks als „Bauart Mann“ bezeichnet wurde. Auch dieser Brenner löste die Probleme nur teilweise. Daher forderten das Bw Wernigerode und die Rbd Magdeburg den Einbau eines kleineren Hilfsbrenners, was jedoch seitens der vorgesetzten Dienststellen abgelehnt wurde.

Kommando zurück!
Kaum hatte das Bw Wernigerode die letzte ölgefeuerte Maschine der Baureihe 99.023-024 in Dienst gestellt, hieß es seitens der HvM in Berlin: „Kommando zurück!“ Auslöser dafür war die Energie- und Wirtschaftskrise, in die die DDR 1981 geriet. Die Sowjetunion kürzte im Frühjahr 1982 die Erd­öllieferungen an die DDR um zwei Millionen Tonnen. Zwar konnte man noch den eigenen Bedarf decken, jedoch nicht mehr die Exportverträge – vor allem gegenüber der Bundesrepublik Deutschland – erfüllen. Die dadurch drohenden Devisenausfälle hätten zum Staatsbankrott führen können.

Aus diesem Grund verhängte der Ministerrat der DDR ein striktes Sparprogramm für flüssige Energieträger in allen Wirtschaftsbereichen. Die Reichsbahn musste nun binnen weniger Monate alle ihre ölgefeuerten Dampfloks abstellen. Dies war jedoch im Harz gar nicht möglich, da dies zur Einstellung des Betriebes auf der Harzquer- und Brockenbahn geführt hätte. Die HvM bemühte sich daher um eine Ausnahmeregelung für die Baureihe 99.023-024.

Der Rückbau beginnt
Doch die Vorgaben des Ministerrates ließen der Reichsbahn keinen Spielraum: Am 23. August 1982 wurde der Rückbau der „Harz-Bullen“ auf Kohlefeuerung angeordnet. Als erste Lokomotive traf die 99 7232 am 20. Dezember 1982 im Harz ein. 99 7233 beendete schließlich am 12. April 1984 die Ära der ölgefeuerten Dampfloks im Bw Wernigerode. Nun mussten die Lokheizer wieder die Schippe schwingen. Da blieb während der Bergfahrt für das Bewundern der Naturschönheiten des Harzes keine Zeit. Daran hat sich bis heute nichts geändert.   
Andreas Goschalla

Weitere Informationen und Bilder finden Sie im LOK MAGAZIN 12/10!

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