Österreicher in München

Nein, Exoten sind österreichische Triebfahrzeuge in Deutschland längst nicht mehr. Sie rollen seit Jahrzehnten über deutsche Gleise, und umgekehrt wird es ebenso praktiziert. Loks aus dem Nachbarland gehören somit zum alltäglichen Bild des Münchner Hauptbahnhofs.
Früher übernahmen Lokomotiven der Baureihen E 16 und E 18 in den Grenzbahnhöfen Salzburg und Kufstein die Reisezüge, bzw. übergaben diese. Das Ziel der Vereinfachung technisch-betrieblicher Abläufe führte sehr früh zu Vereinbarungen über den wechselseitigen Austausch von Lokleistungen. Nach Abbau bürokratischer Hindernisse waren aber zunächst nur die formalen Voraussetzungen für einen grenzüberschreitenden Lokeinsatz gegeben. Der fromme Wunsch nach der Vermeidung des Lokwechsels auf Grenzbahnhöfen klingt plausibel und banal. Die Komplexität der Umsetzung in die Praxis liegt jedoch in den unabhängig voneinander gewachsenen, unterschiedlichen Systemtechniken der Bahnunternehmen. Je differenzierter diese sich aus nationalen Erwägungen heraus entwickelten, umso schwieriger ist ein interoperabler Einsatz zu realisieren.
Nicht so einfach, wie es scheint
In mühsamen Prozessen galt es – was auch für den Laien verständlich ist – eine gegenseitige Zulassung des Rollmaterials sicherzustellen. Nicht so augenscheinlich ist die zwingende Vereinheitlichung auch der Zugsicherungstechnik. War der Weg bei älteren Systemen dahin bereits verbaut, bedurfte es der Installierung paralleler Einrichtungen in den Triebfahrzeugen. Freier grenzenloser Eisenbahnverkehr setzt also totale Systemkompatibilität voraus.
Trotz starker Liberalisierung des Netzzugangs ist ein wirklich grenzenloser Verkehr nach wie vor ein Zukunftstraum. Und er wird nicht von allen europäischen staatlichen Eisenbahnverkehrsunternehmen geträumt. Nationale Egoismen, die meist ihre Wurzeln in der Stützung der heimischen Bahnindustrie besaßen, hemmten in den vergangenen 40 Jahren einen stärkeren, betriebswirtschaftlich sinnvollen Fortschritt, von dem auch der Fernreisende profitiert hätte.
Ab 1938 deutsche Standards
Doch ein weiter Weg ist schon zurückgelegt worden. Es ist einleuchtend, dass dort die Anfänge zu einer echten Kooperation lagen, wo die Verhältnisse überschaubar und relativ identisch waren: Deutschland wählte 1912 für die Elektrifizierung von Hauptbahnen Einphasenwechselstrom von 16,7 Hertz bei 15 kV Fahrdrahtspannung. Das bedeutete eine frühe und weitreichende Entscheidung, der sich Österreich und die Schweiz später anschlossen.
Deutscherseits war Salzburg mit München ab 1928 elektrisch verbunden. Die Österreichischen Bundesbahnen (damals: BBÖ) hatten in den 1930er-Jahren zunächst andere Prioritäten gesetzt: Die Gebirgsbahnen über den Semmering bzw. über die Tauern sollten bei der Elektrifizierung Vorrang erhalten, und wie erwartet brachte diese dort später auch beachtliche Steigerungen in der Verkehrsleistung gegenüber der Dampftraktion.
Erst ab 1936 begann dann die Planung für die Elektrifizierung der Westbahn von Wien nach Salzburg. Mit dem Anschluss an das Deutsche Reich im März 1938 ging die Betriebsführung an die DR über, was erhebliche Konsequenzen nach sich zog. Viele deutsche technische Standards fanden Eingang in die seinerzeitige Betriebstechnik.
Mit Kriegsende Mai 1945 erlangte Österreich seine Souveränität – wenn auch bis 1955 eingeschränkt – zurück. Es begann die Verwaltung zunächst durch die Alliierten, dann kehrten die späteren ÖBB schon 1947 in die Selbstständigkeit zurück. Nach dem Wiederaufbau investierte Österreich in eine dringend notwendige Modernisierung, vorrangig in weitere Elektrifizierung wegen eklatanter Kohlenarmut. Sowohl topographisch als auch verkehrsgeographisch günstig gelegen fand die im Flach- und Hügelland verlaufende Westbahn schon bald Berücksichtigung, die Umstellung war 1952 vollendet. Was sprach nun noch gegen einen durchgehenden Verkehr? Abweichend von der Schweiz gab es sogar die selben Stromabnehmer. Welche Barrieren waren noch zu überwinden? Eigentlich nur wenige.
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