Österreicher in München

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Mit der fortschreitenden Elektrifizierung wurden neue und leistungsfähigere Lokomotiven unentbehrlich. Auf Grund von negativen Erfahrungen mit den sechsachsigen Reihen 1010 und 1110 wollten die ÖBB nunmehr Bo’Bo’-Maschinen beschaffen. Wie zuvor gab es in der Konzeption kleine Anleihen bei der Schweizer Lokbauindustrie, welche dem Vierachser durch seine hervorragende Robustheit zum Durchbruch verholfen hatte; Vorbilder bei Beginn der Planung gab es also reichlich.
Mit der Baureihe 1042 entschieden sich die ÖBB endgültig für die Universallok, für das kleine Land eine vernünftige Lösung. Mit 130 km/h Höchstgeschwindigkeit wurde der Topographie des Landes Rechnung getragen, es wurde mehr Wert auf Zugkraft als auf Höchstleistung gelegt. In den Jahren 1963 bis 1977 verließen 257 Loks die Produktionshallen von SGP in Graz. So gelangte die 1042 als „bestes Pferd im Stall“ natürlich auch ins Ausland. Ursprünglich tannengrün lackiert bildete sie in ihrem blutorangen Outfit ab den 1970er-Jahren einen auffallend neuen Farbtupfer in der Bahnsteighalle von München Hbf und galt zurecht als Aushängeschild. Über Jahre dominierte sie den Verkehr auf dem Teilabschnitt München – Wien der internationalen Achse Paris – Bukarest.
Schaut der Betrachter einmal in das DB-Kursbuch von 1975, so fällt auf, dass nur zwei TEE-Züge von München aus nach Südosten führten, aber keiner nach Wien: TEE 91/90 „Blauer Enzian“ nach Klagenfurt und TEE 85/84 „Mediolanum“ nach Mailand. Bekannte D-Züge wie „Mozart“ und „Orient Express“ deckten die Westbahn nach Wien ab. „Akropolis“ und „Hellas“ sowie einige Fernzüge nach Italien erfreuten sich keines guten Rufs. Schon das Kurswagenverzeichnis merkte dazu jeweils an: „Internationaler Reisezug mit langem Laufweg; mit normaler Pünktlichkeit und dem üblichen Komfort kann nicht gerechnet werden“! Im Klartext hieß das: Die Bahnverwaltungen stellten mieses Wagenmaterial zur Verfügung; trotz Platzkartenpflicht waren die Züge durch das übermäßige Handgepäck der Gastarbeiter überfüllt; erhebliche Verspätungen an der Tagesordnung. War das Endziel für die 1042 der Brenner, gab es spätestens ab Innsbruck Hbf für die schweren Züge einen Vorspann durch verschiedenste Typen wie die 1110 oder 1020 der ÖBB oder gar 111er der Bundesbahn.
Schlagen wir nun das Kursbuch von Sommer 1985 auf, hat sich die Situation nicht grundlegend geändert. Der Ex 1163 (bei der DB D 1163) „Rosenkavalier“ belegt nun zusätzlich die Trasse von Wien West nach München (470 Kilometer Laufweg). „Mozart“ mutierte zum Fernexpress FD 265/264; der „Istanbul Express“ bleibt.
Was der Fahrplan natürlich nicht ausweist: Die Reihe 1044 ist kräftig dabei ist, die 1042 aus dem internationalen Personenfernverkehr zu verdrängen, was natürlich in München zu beobachten ist. Auch die 1044 ist als Einheitslok ausgelegt, damit tauglich sowohl für den schweren Schnellzug- als auch Güterzugdienst, im Flachland wie auch auf Gebirgsabschnitten. Nach anfänglichen, fast „lebensbedrohenden“ Kinderkrankheiten, die auch noch die Serie ab 1976 betrafen, lief die wesentlich stärkere 1044 der Vorgängerin 1042 den Rang ab und avancierte zur Starlok der ÖBB. Es hatte vorher einiger Mühen bedurft, ihr u. a. die unangenehmen Lüftergeräusche abzugewöhnen, sonst hätte sich wohl der Spitzname „Heuler“ auf ewig gehalten. Besonders gut machte sie sich vor dem EC 11/10 „Mimara“, bestehend aus einer hellblauen Garnitur der ehemals Jugoslawischen Staatsbahn, die nunmehr von den Nachfolgebahnen Sloweniens und Kroatiens gestellt wurde (Laufzeit 1991 – 2001). Es war eh die starke Zeit der ECs; vier Paare tummelten sich damals im Direktverkehr mit der Donaumetropole.

Hier gab es später ärgerliche Einschränkungen; es musste in Salzburg umgestiegen werden. Da die deutschen ICs nach Salzburg bereits u. a. aus Dortmund kamen, sah man oftmals verspätungsbedingt nichts mehr vom Anschlusszug. Die Produktion der 1044 dauerte erstaunlicherweise bis 1995 (total 217 Maschinen). Eine Erklärung könnten die langjährigen vergeblichen Versuche der österreichischen Bahnindustrie sein, Anfang der 1990er-Jahre im Alleingang eine eigene zuverlässige Drehstromlok zu entwickeln (die Reihen 1012 und teilweise auch 1014 erwiesen sich als kostenträchtige Fehlentwicklungen). Der Stand der Technik veränderte sich so schnell, da sich die Innovationszyklen immer rascher folgten; eine Tatsache, der auch die ursprünglich geplante Großserie der DB-Reihe 120 zum Opfer fiel.

1996 wird EU-weit gedacht und gehandelt

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