Fahrzeug-Porträt

SBB-Baureihe CLE 2/4: Die „Roten Pfeile“ der Schweizerischen Bundesbahnen

Seiten

Der Umbau
Im Betriebsalltag machte sich das Fehlen von Zug- und Stoßvorrichtungen negativ bemerkbar, und so wurde beschlossen, die Triebwagen mit einem leichten Zughaken und Puffern auszurüsten, damit sie mindestens einen Wagen mitführen oder am Schluss eines anderen Zuges eingereiht werden konnten. 1944 wurden zunächst die Fahrzeuge 601 und 602 umgebaut, wobei man das Kastengerippe verstärken musste, um die Pufferkräfte ableiten zu können. Die Hilfskupplung ersetzte man durch einen leichten Zughaken mit Schraubenkupplung. Zudem musste für eine Anhängelast eine automatische Bremse eingebaut werden, so kam das Führerbremsventil hinzu. Durch den Umbau erhöhte sich das Gewicht der Fahrzeuge um etwa fünf Tonnen. Bis zu einer Steigung von zwölf Promille konnte in der Folgezeit eine Anhängelast von 30 Tonnen mitgegeben werden, über 18 Promille war das Mitführen eines Wagens verboten. Als Anhängewagen beschafften die SBB im Jahre 1947 fünf BDF4 (später ABDi), welche ein Gesamtgewicht von nur 22 Tonnen aufwiesen.

Der Weg zum RAe 2/4 602
Um ein Fahrzeug für gehobene Komfortansprüche zu erhalten, wurde der Triebwagen 606 im Jahre 1952 vollständig umgebaut: Der Wagenkasten wurde um 2.600 Millimeter verlängert, die Inneneinrichtung vollständig erneuert, wobei bequeme Stoffsitze mit größerem Sitzabstand eingebaut wurden. Bis 1956 verkehrte das Fahrzeug als hochklassierter RBe 2/4, danach sogar als RAe 2/4. Bereits 1954 hatte der Triebwagen die Betriebsnummer mit dem 602 getauscht. Auch äußerlich unterschieden sich die „erstklassigen“ Triebwagen durch das zweite seitliche Führerstandsfenster von den übrigen Fahrzeugen. 1953 wurde der verunfallte 601 in der gleichen Weise umgebaut.

Betriebliches
Die „Roten Pfeile“ wurden nach ihrer Ablieferung den Depots Bern, Lausanne und Zürich zugeteilt. Um das Fehlen eines Gepäckabteils zu kompensieren, erhielten die Triebwagen 204 – 207 an den Fronten Ösen, in die ein 1937 beschaffter einachsiger Skianhänger eingehängt werden konnte. Der Triebwagen 205 wurde später zusammen mit dem Skianhänger an die Oensingen-Balsthal-Bahn vermietet, da diese nach einer „Notelektrifizierung“ keine eigenen Fahrzeuge besaß. Ob es mehr als einen Skianhänger gab, ist unklar, weil das Fahrzeug keine Betriebsnummer besaß; von der Industrie geliefert wurde nur ein Skianhänger, doch wurde laut einer Mitteilung des Bundesamtes für Verkehr (BAV) der „letzte“ erst 1956 abgebrochen, was auf mehrere Fahrzeuge hindeuten würde.
Als während des Zweiten Weltkriegs verschiedene Nebenstrecken elektrifiziert wurden, gab es für die Triebwagen ein neues Einsatzgebiet, bei dem sich aber das Fehlen von Zug- und Stoßvorrichtungen besonders negativ bemerkbar machte. Das änderte sich durch den Umbau, nach dem zunächst alte Zweiachser und ab 1947 die Leichtstahlwagen BCF4 mitgegeben wurden.

Zum Ende des Jahres 1945 waren die „Roten Pfeile“ den Depots Lausanne, Luzern, Winterthur und Zürich zugeteilt. Nach der Ablieferung der Triebwagen vom Typ BDe 4/4 übernahmen diese die Dienste auf den Nebenlinien. Nun verblieben den „Roten Pfeilen“ nur noch die Badezüge zwischen Zürich und Zurzach.
Von Juli bis Dezember 1960 verkehrte werktags ein Triebwagen von Lenzburg über Melligen nach Kilchberg, um Arbeiter der Schokoladenfabrik Lindt zu befördern. Während der Landesausstellung „EXPO 64“ kamen die Triebwagen wieder zu planmäßigen Einsätzen, und vier Jahre später kam das endgültige Aus im Planeinsatz, als der Badezug wegfiel.
Vereinzelt gab es Fahrten nach Deutschland und Österreich, wobei an der Grenze jeweils das Schleifstück gegen ein solches nach DB- bzw. ÖBB-Norm getauscht werden musste.

Verbleib
Die Ausrangierung und Verschrottung der beiden ehemaligen „Dieselpfeile“ erfolgte unmittelbar nach der „EXPO 64“. Zwischen November 1966 und Dezember 1968 wurden dann die Fahrzeuge 1004 – 1007 abgebrochen, Ende August 1984 landete auch der RAe 2/4 1002 auf dem Alteisen. Der 1007 wurde im Januar 1974 an die Oensingen-Balsthal-Bahn verkauft und existiert noch heute dort als fahrfähiges historisches Fahrzeug.
RBe 2/4 1003 steht als optisch aufgearbeitetes Ausstellungsfahrzeug im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern, ist aber nicht fahrfähig. Bei SBB Historic wird der RAe 2/4 1001 als fahrfähiges historisches Fahrzeug vorgehalten; er erlitt 2008 einen Transformatorschaden, der aber durch den (ebenfalls beschädigten) Transformator des RBe 2/4 1003 behoben werden konnte.
   
Von Hans-Bernhard Schönborn

Ein Artikel aus LOK MAGAZIN 06/10

Seiten

Tags: 
Weitere Themen aus dieser Rubrik

ET 184 41, 42/ ET 185 01: Elektrische Pioniere

Am 4. Dezember 1895 eröffnete die Localbahn AG in Württemberg zwischen Meckenbeuren und Tettnang die erste elektrische Vollbahn in Europa.

Für den...

weiter

Baureihe 140 im Emsland: Die Funken schlagen

Im Emsland tummelten sich früher die Dampflokfans. Doch Geschichte wiederholt sich: Das Emsland zieht heute Ellok-Nostalgiker an. Warum das so ist, lesen Sie hier!

Lokführer im Ruhrgebiet in den 1970ern: Oft um den Kirchturm herum

In den frühen 1970er-Jahren arbeitet Peter Schricker als Lokheizer im Bahnbetriebswerk Duisburg-Wedau. Seine Dampflok-Einsätze sind die typischen jener Jahre:... weiter