Schnell auch mit Dampf

Die 1930er-Jahre standen im Zeichen der Tempojagd. Den neuen Schnelltriebzügen mussten die Dampflokproduzenten etwas entgegensetzen: Henschel baute die 61 001 und Wegmann den Zug. Von Leonhard Bergsteiner

 
Wenn die 61 001 nicht einsatzbereit war, sprang eine 01 oder 03 ein. Das Bild zeigt solch einen Fallbei der Ausfahrt aus Dresden-Neustadt. Foto: Slg. Berg © Slg. Berg
Der 15. Mai 1936 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des Schnellverkehrs in Deutschland: Auf der 1 80 Kilometer langen Strecke vom Anhalter Bahnhof in Berlin nach Dresden Hauptbahnhof wird die Reisezeit von zwei Stunden und acht Minuten auf eine Stunde und 40 Minuten verkürzt. Kein Schnelltriebzug sondern ein leichter Dampfschnellzug in den Farben Violett und Elfenbein macht dies möglich.
Seine Bezeichnungen variieren, man hört »Henschel-Wegmann-Zug«, »Dampfschnellzug Henschel-Wegmann« oder auch »Henschel-Wegmann Stromlinienzug«. Im Rahmen der großen Ausstellung »100 Jahre deutsche Eisenbahnen« vom 14. Juli bis 13. Oktober 1935 in Nürnberg hat ihn die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft erstmals einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Und auch an der Jubiläumsparade am 7. Dezember 1935 hat er teilgenommen.

Im Rausch der Geschwindigkeit
Der Erfolg des seit 15. Mai 1933 zwischen Berlin und Hamburg mit 160 km/h Höchstgeschwindigkeit verkehrenden »Fliegenden Hamburgers« hatte die DRG zur Bestellung weiterer schneller Triebzüge veranlasst.
Die Antwort der Lokomotivindustrie ließ nicht lange auf sich warten. Noch 1933 stellte Henschel in Kassel zusammen mit der Waggonfabrik Wegmann eine Studie für einen leichten Dampfschnellzug vor. Eine stromlinienförmig verkleidete 2’B1 ’-Tenderlok bespannte einen windschnittigen Zweiwagenzug mit 1 26 Sitzplätzen in der 2. Klasse. Die 1 60 km/h schnelle Garnitur hatte einen entscheidenden betrieblichen Nachteil: Die Lok musste am Endbahnhof gedreht werden.

  Als spezielles Argument für den Einsatz von Dampflokomotiven im Schnellverkehr diente die Fixierung des NS-Regimes auf die Selbstversorgung des Deutschen Reichs mit Rohstoffen, was den Einsatz sogenannter »Heimstoffe« und das Setzen auf Kohle bedeutete.
Die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft stimmte der Erprobung eines derartigen Zuges prinzipiell zu, erweiterte aber das Betriebsprogramm: »Die Lokomotive« hat einen aus vier Wagen leichter Bauart bestehenden Zug im Gesamtgewicht von etwa 120 Tonnen mit 160 km/h Höchstgeschwindigkeit zu befördern. … Die Wasservorräte müssen für eine Fahrstrecke von 300 Kilometern, die Kohlenvorräte für eine solche von 600 Kilometern ausreichen. Die Lokomotive ist als Tenderlokomotive zu bauen und muß nach beiden Fahrtrichtungen gleich gute fahrtechnische Eigenschaften
aufweisen. Die vier Wagen erhalten etwa 200 Sitzplätze II. und III. Klasse; in einem Wagen ist ein Gepäck-, Post-, Küchen- und Speiseraum vorzusehen. Der Zug muß aus 150 km/h Geschwindigkeit nach Zurücklegung eines Bremsweges von 1.000 Metern zum Halten gebracht werden können.«
Auf der Grundlage dieser Vorgaben arbeiteten die beiden Kasseler Firmen in Zusammenarbeit mit dem Reichsbahn-Zentralamt für Maschinenbau (RZM) in Berlin einen neuen Entwurf aus. Das Fahrzeugprogramm von 1934 genehmigte den Bau des Henschel-Wegmann-Zuges.
Die Herstellungskosten der Dampflok 61 001 betrugen 234.580 RM, der Wagenzug schlug mit 446.800 RM zu Buche. Mit insgesamt 681 .380 RM war der Dampfzug damit kaum teuerer als ein
dreiteiliger SVT »Köln« mit rund 600.000 RM.
  Stromlinienform und Leichtbau
Zur Verminderung des bei hohen Geschwindigkeiten starken Luftwiderstands wurden Lokomotive und Wagenzug nach Modellversuchen im Windkanal der Aerodynamischen Versuchsanstalten in Göttingen stromlinienförmig ausgeführt. Äußeres Kennzeichen der beiden Endwagen waren die in Stromlinienform ausgebildeten Stirnflächen. Zusammen mit der selbsttätigen Scharfenbergkupplung erlaubte dies einen geringstmöglichen Abstand von Lokomotive und Wagenzug. Erhebliche Luftwiderstände waren an dieser Stelle somit nicht zu befürchten. Untereinander waren die vollständig geschweißten Wagen kurzgekuppelt. Die bis an die Wagenbegrenzung reichenden Faltenbälge lagen in der Flucht der Seitenwände und des Daches. An den Wagenlängswänden zog man die Verkleidungsbleche bis auf 510 mm über Schienenoberkante herunter. Unter den Wagen schlossen sich waagerechte Verkleidungsbleche an.
Um eine glatte Außenhaut zu schaffen, wurden die Fenster und die Schiebetüren möglichst weit an die Außenflächen der Seitenwände herangerückt, die Öffnungen dabei unter einem Winkel von 45 Grad abgeschrägt. Ein möglichst geringer Luftwiderstand der Leichtbau-Drehgestelle mit Hohlachsen und Rollenlagern konnte dank seitlicher Schürzen erzielt werden.

Zeitgemäße Inneneinrichtung

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