Schönster Bahnhof Europas?

Seiten


Das Empfangsgebäude schließt die von Westen reichenden Gleisanlagen ab und öffnet sich mit seiner Fassade zum Stadtzentrum hin. Streng symmetrisch gegliedert erhebt sich in der Mitte eine 23 Meter hohe gewölbte Empfangshalle, an die sich im Norden und Süden Längsbauten anschließen. Auf einem Granitsockel steht das Bauwerk aus Pfälzer und Heilbronner Sandstein. 

Repräsentativ wie die Außenfassade waren auch die Innenräume ausgestattet. Bogenöffnungen verbanden die Empfangshalle, den Querbahnsteig, die Gaststätte und die Warteräume. Marmorsäulen und reich gegliederte Wände bildeten das Innenraumdekor. 

Die Bahnsteige wurden von drei reich geschmückten Bahnsteighallen (Entwurf von Wilhelm Schwedler) mit einer größten Spannweite von 56 Meter überwölbt – 186,4 Meter lang und 168 Meter weit – die von der Gutehoffnungshütte in Oberhausen erbaut worden waren. Man stellte die Hallenkonstruktion von hölzernen, fahrbaren Lehrgerüsten aus auf. Auch die 29 Meter hohen Dreigelenkbögen versah man mit dekorativem Schmuck, meist aus Guss- oder Schmiedeeisen.

Die Hallenabschlussschürzen wurden von je einem umlaufenden Blätterkranz umgeben.

Gründerzeitlicher Schmuck
Auch das Empfangsgebaude erhielt viele Schmuckelemente, so die allegorischen Frauengruppen zu beiden Seiten des Hauptportals. Sie sollen die Industrie, den Handel, den Ackerbau und die Schifffahrt symbolisieren. Die Hauptuhr im Mittelportal ist umgeben von zwei Grazien, Tag und Nacht verkörpernd. 

Im Empfangsgebaude saßen ursprünglich die Verwaltungen der Preußischen Staatseisenbahnen (südlich) und der Hessischen Ludwigsbahn (nördlich). Beim ersten Umbau wurde ein Teil dieser Räume aufgegeben, da die Hessische Ludwigsbahn in den Preußischen Staatsbahnen aufgegangen war und keine separaten Verwaltungsräume mehr benötigte.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden diese Räume vom Bahnhofs- und Verkehrsdienst belegt oder als Dienstwohnungen genutzt. Auch wurde die Telefonvermittlung und -auskunft der Direktion Frankfurt (Main) dort untergebracht.

Atlas mit Weltkugel 
Die große Schalterhalle war zum Querbahnsteig durch eine raumhohe Schmuckwand abgeschlossen. Bei der ersten Modernisierung in den 1950er-Jahren ist sie samt figuralem Schmuck durch eine schmucklose Glas- und Stahlschürze ersetzt worden, wodurch der Bahnhof transparenter wurde.

Über allem thront weithin sichtbar der von Gustav Herold geschaffene Atlas mit der Weltkugel. Die vorderen Eingänge dienten der Wagenvorfahrt, die seitlichen den Fußgängern, wobei alle Personenwege zwischenVorplatz und den Bahnsteigen ohne Treppensteigen sehr bequem für die Reisenden zu begehen waren.

Beiderseits der Haupthalle waren die Fahrkartenschalter eingebaut, die durch einen neuerlichen Umbau erst 1995 aufgegeben wurden, als ein Reisezentrum eingerichtet wurde. Hier befanden sich auch die Gepäckabfertigungen für verschiedene Strecken, die Post, die Handgepäckaufbewahrung, Geldwechsel-, Fahrplanauskunft- und Schlafwagenbüros.

Den Vorplatz umgebaut
1934 begann unter dem zunehmenden Druck des Autoverkehrs die Umgestaltung des Vorplatzes. Die Grünanlagen mussten dafür verschwinden. Den Pkw-Insassen, die jetzt nicht mehr zum Mitteleingang, sondern zu den Seiteneingängen fuhren, boten Vordächer Schutz vor Regen und Schnee. Trotz gegenteiliger Beteuerung, man werde auf die Architektur Rücksicht nehmen, störten diese doch sehr.

Das Ende des Zweiten Weltkriegs überstand der Frankfurter Hauptbahnhof verhältnismäßig gut. Während beim Angriff am 29. Januar 1944 ringsum alles durch Bomben in Schutt und Asche fiel, wurde am Bahnhof lediglich der Südflügel von Sprengbomben getroffen. Auch nach weiteren Zerstörungen blieb die Bausubstanz erhalten. 

Als das Empfangsgebäude bis 1954 wieder aufgebaut wurde, sind die Gast- und Diensträume sowie die Verkaufsflächen gegenüber ihrer früheren Lage und Größe verändert worden. Postamt, Kino und Konferenzräume kamen hinzu. Vor allem wurden die umbauten Räume intensiver genutzt.

Ein paar Zahlen untermauern dies: 1995 waren es 46 Servicebetriebe mit 80 sogenannten Betriebsstellen auf fast 9.000 m2 Fläche. Hinzu kamen 1.300 m2 Büros und 8.200 m2 Lager.  Am 8. September 1954 waren sämtliche Bahnanlagen wieder freigegeben worden; der Zugverkehr hatte ein bis dahin nicht gekanntes Ausmaß erreicht.

1956 begann auch die Elektrifizierung. Am 18. April wurde der erste Fahrleitungsmast gegründet, und seit dem 15. November 1957 fuhren die Zuge nach und von Darmstadt elektrisch.  

Seiten

Tags: 
Weitere Themen aus dieser Rubrik

ET 184 41, 42/ ET 185 01: Elektrische Pioniere

Am 4. Dezember 1895 eröffnete die Localbahn AG in Württemberg zwischen Meckenbeuren und Tettnang die erste elektrische Vollbahn in Europa.

Für den...

weiter

Baureihe 140 im Emsland: Die Funken schlagen

Im Emsland tummelten sich früher die Dampflokfans. Doch Geschichte wiederholt sich: Das Emsland zieht heute Ellok-Nostalgiker an. Warum das so ist, lesen Sie hier!

Lokführer im Ruhrgebiet in den 1970ern: Oft um den Kirchturm herum

In den frühen 1970er-Jahren arbeitet Peter Schricker als Lokheizer im Bahnbetriebswerk Duisburg-Wedau. Seine Dampflok-Einsätze sind die typischen jener Jahre:... weiter