Spitzname »Rollwagen«

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Mit einer Hauptuntersuchung im damaligen Reichsbahnausbesserungswerk Meiningen vom 15. Februar bis 29. Mai 1979 kam die 38 205 ab dem 30. Mai endlich wieder in den Betriebsdienst. Das Verkehrsmuseum und die DR übertrugen die Pflege und Wartung der Lok erfahrenen Lokpersonalen im damaligen Karl-Marx-Stadt. Diese Eisenbahner haben die Lok ständig technisch und äußerlich vorbildlich in Schuss gehalten. Von nun an war die 38 205 ständig mit Sonderzügen in der DDR unterwegs, auch dort, wo sie früher nie gewesen war, wie z. B. in und um Rostock. Als betriebsfähige Dampflok ging die 38 205 nach 1989 in der DDR in das Eigentum der DB AG über. Als die Untersuchungsfristen im Jahr 1998 abliefen, war natürlich für eine weitere betriebsfähige Erhaltung kein Geld mehr da. Wer wollte schon im wiedervereinigten Deutschland eine alte sächsische Personenzuglok vor einem Sonderzug sehen?

Feierlich wurde die 38 205 am 4. April 1998 aus dem Betriebsdienst verabschiedet. Nun steht sie als Leihgabe des DB-Museum Nürnberg sauber geputzt neben der schon lange kalten 75 515 in Chemnitz-Hilbersdorf im Lokschuppen und wartet auf bessere Zeiten.

Persönliche „Rollwagen“-Begegnungen
Meine Kindheit und Jugend verbrachte ich in Glauchau. Während der Schulferien war der Bahnhof mein tägliches Ziel. Aussichtspunkte waren am Zaun der Westseite und an der Ostseite mit dem Blick zum Bahnbetriebswerk. Die sieben Bahnsteige waren tabu, es gab noch Bahnsteigsperren und ohne Fahrkarte oder Bahnsteigkarte führte kein Weg auf den Bahnsteig. Während mir die preußischen 38er in Form der P 8 des Bw Glauchau sehr geläufig waren, erschien Mitte der 1950er-Jahre eines Tages mit einem Personenzug aus Zwickau eine Lok, die gar nicht in das Bild „meiner“ 38er passte.

Die Räder waren relativ klein und hatten zueinander den gleichen Abstand, neben der Rauchkammer waren keine Windleitbleche und diese war auch nicht dicker als der Kessel. Das Führerhaus sah aus wie bei den Glauchauer 75ern und der Tender war lang und hatte einen halbrunden Kohlenkastenabschluss. Es war also eine 382-3, sogar noch mit niedrigem Umlauf. Die sächsischen 38er waren in Glauchau eine Seltenheit.

Eine Klassenfahrt im Jahr 1958 nach Jöhstadt, mit dem Zug natürlich, war die Gelegenheit, im damaligen Karl-Marx-Stadt die „Rollwagen“ in allen Schattierungen zu erleben. Alle Personenzüge nach Annaberg-Buchholz und Bärenstein waren mit der 382-3 bespannt und im Bw Karl-Marx-Stadt Hbf, an dem der Zug vorüber fuhr, rauchten etliche sächsische 38er vor sich hin.

Später, während meiner Oberschulzeit, hatte ich mich mit einem Glauchauer Lokführer angefreundet, der auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur machte und an bestimmten Tagen während der normalen Unterrichtszeit die Oberschule besuchte. Ich fragte ihn, ob ich einmal zu ihm auf den Führerstand einer Dampflok kommen könnte. Das bejahte er sofort und lud mich für den nächsten Tag zu einem Sonderdienst im Rangierdienst auf der Westseite des Bahnhofes Glauchau ein. Die Westseite kann vom Bw nicht eingesehen werden, so konnten die Vorgesetzten ihm keinen Ärger wegen meiner Mitfahrt machen.

Ich kam also wie verabredet zur Güterabfertigung. Dort stand nun die Lok mit dem Lokführer Eberhard H., seinem Heizer und dem Rangierleiter. Es war die 38 353, also ein Frankreichrückkehrer, was ich aber damals noch nicht wusste. Ich stieg auf die Lok und glaubte, nun mitfahren zu können, da sagte Eberhard zu mir und mit Zustimmung des Rangierleiters: „Nun mache mal los, du kennst das doch alles!“ Von wegen …

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