Städteschnellverkehr in der DDR: Züge mit Weltniveau?

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Am 18. April 1975 informierte Günther Knobloch, Stellvertreter des Ministers, die Dienstberatung des Ministers über die „Auslastung der Fernreisezüge insbesondere des Städteschnellverkehrs in Auswirkung der Beschlüsse zur Einsparung von Treibstoffen in der Volkswirtschaft einschließlich der sich daraus ergebenden Maßnahmen“:

1.     Die Städteschnellverkehrszüge Berlin – Dresden – Berlin werden seit Januar 1975 täglich mit einem Wagen, montags zusätzlich mit zwei Wagen 2. Klasse bis zur Lastgrenze verstärkt.

2.     Für Bauarbeiter aus dem Bezirk Neubrandenburg nach Berlin werden an Montagen und zurück an Freitagen vom 21. Juli 1975 an zusätzlich Platzkartenwagen in Schnellzügen eingerichtet. Ab Sommerfahrplan 1975 wird außerdem montags für etwa 300 Bauarbeiter ein zusätzlicher öffentlicher D 1611 nach Berlin-Lichtenberg gefahren, um den D 642 Stralsund – Halberstadt zu entlasten.

3.     Im Winterfahrplan 1975/1976 wird sonntags ein D 1656 den D 156 zwischen Erfurt und Berlin entlasten.

4.     Für den Rat des Bezirkes Frankfurt (Oder) wird ab Winterfahrplan 1975/1976 zusätzlich montags die Verbindung von Angermünde nach Frankfurt (Oder) und zurück gefahren.

5.     Im Winterfahrplan 1975/1976 werden die wichtigsten für den Geschäfts- und Behördenverkehr eingesetzten Schnellverkehre und Schnellzüge bis zur Lastgrenze, ggf. auch unter Inkaufnahme einer geringen Reisezeitverlängerung mit maximalem Platzangebot vorgesehen. Jedoch lassen sich die Forderungen nach wesentlicher Erhöhung des Platzangebots in der 1. Wagenklasse aufgrund des geringen Bestandes an A-Wagen nicht realisieren.

Auf die 1969 von einer Arbeitsgruppe der Politischen Verwaltung für das „Jugendobjekt Städteschnellverkehr“ geäußerten Vorschläge ging Günther Knobloch nicht ein. Dazu gehörten: Reisegeschwindigkeit über 70 km/h, in der Perspektive Einsatz von Stewardessen, die bestehenden Verbindungen sollen ergänzt werden, beginnend mit Magdeburg – Halle – Erfurt. Weitere Verbindungen des Städteschnellverkehrs waren Berlin – Halle – Gera (zum Winterfahrplan 1968/1969), Berlin – Magdeburg (Sommer 1969), Berlin – Karl-Marx-Stadt (Sommer 1970), Berlin – Neubrandenburg (– Stralsund) (1969), Berlin – Schwerin (1970), Berlin – Cottbus (1969).

Vom Sommer 1969 an war eine neue Zuggattung geplant als Schnelltriebwagen oder lokomotivbespannt: Berlin – Leipzig, von 1970 an Dresden – Berlin – Rostock, für deren Benutzung ein erhöhter Zuschlag entrichtet werden sollte. Nur die Expresstriebzüge Berlin – Leipzig wurden 1975 Wirklichkeit (übrigens waren die meisten Fahrpreisermäßigungen und Freifahrten der Eisenbahner in diesen Zügen ausgeschlossen!) und der Schnellverkehr nach Gera.

Bereits im Winterfahrplan 1967/1968 fuhren Dieseltriebwagen den Dt 1195/1996 nach und von Neubrandenburg als neue Verbindung des Städteschnellverkehrs. Doch die Fahrplanbearbeiter waren inkonsequent oder bestimmten Sachzwängen ausgesetzt, wenn sie die Städteschnellverkehrszüge entgegen früher geltenden Prinzipien nun doch in Oranienburg, Neustrelitz, Güstrow, Weißenfels, Elsterwerda, Falkenberg (Elster) oder in Weimar halten ließen, manchmal nur während eines Fahrplanabschnitts.

Betrachten wir die wesentlichen Veränderungen im Laufe der Jahre: Berlin – Magdeburg
Im Winterfahrplan 1962/1963 fuhren die Züge 1170/1171/1173 als platzkartenpflichtige Triebwagen, D 1172 jedoch als lokomotivbespannter Zug. Der Triebwagen übernahm dafür den Dt 142. Ein Jahr danach fehlten die Städteschnellverkehrszüge 1170 und 1173, seit dem Winterfahrplan 1967/1968 gab es keine mehr. Die Strecke war derart heruntergewirtschaftet (Minister Erwin Kramer: „Für die NATO-Strecke keinen Pfennig!“), dass man die Fahrzeiten mit einem Schnellverkehr nicht vereinbaren konnte. Stattdessen wurde ein Schnellzugpaar Berlin – Wernigerode eingelegt.

Berlin – Erfurt
Im Fahrplan 1967/1968 wurden D 1161/1162 von und bis Meiningen verlängert und damit die Bezirksstadt Suhl erreicht. Wegen der zentralen Oberbauerneuerung auf der Strecke Halle – Erfurt fuhr D 1163 über Sangerhausen, im anschließenden Winterabschnitt auch D 1162, die D 1161 und 1164 erhielten einen Flügel von und nach Gotha.

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