Übergangslösung

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Damit die DB ihre Vorzeigeangebote von Beginn an technisch wie optisch ansprechend präsentieren konnte, behalf man sich zum jeweiligen Fahrplanwechsel mit der Ausrüstung der Lokomotiven E 10 239 – 243 mit einer auf 160 km/h erhöhten Getriebeübersetzung sowie bei der E 10 244 und den E 10 250 – 254 mit den für 160 km/h zugelassenen Henschel-Drehgestellen der zukünftigen E 1012 und E 1013, um auch ohne diese die höhere Reisegeschwindigkeit bieten zu können. Gleichzeitig wurden sie in der kobaltblau-beigen Farbgebung lackiert.
Während die Ordnungsnummer der Rheingoldloks, wie für die Regelmaschinen E 10 1265 – 1270 geplant, ebenfalls um 1000 erhöht wurde (also
E 10 1239 – 1244) und gleichzeitig ein gusseisernes DB-Emblem auf der Lokfront angebracht wurde, verzichtete man ein Jahr später, als man auf die E 10 1308 – 1312 für den „Rheinpfeil“ warten musste, auf Umnummerierung und Schild. Analog der geplanten Beheimatung der vorgesehenen Lokomotiven stationierte man die „Rheingold“-Loks im Bw Heidelberg, die für den „Rheinpfeil“ im Bw Nürnberg Hauptbahnhof.
Als dann noch blaue E 10 mit dem eigentlich ausschließlich für die Schnellfahrloks vorgesehenen „Bügelfalten“ erschienen (ab E 10 288), schien die Verwirrung komplett, was die Herausgeber der Modellbahnzeitschrift MIBA im März 1964 zu einer klärenden Berichterstattung veranlasste. Immerhin hatten die etablierten Modellbahnhersteller verschiedener Spurweiten umgehend reagiert und ihre E 10-Modelle auch in der Schnellfahrvariante in blau-beige aufgelegt, und zwar sowohl die Übergangslokomotiven wie auch später die Bügelfaltenvarianten. Nachdem die endgültigen E 1012 ab Oktober 1962, bzw. ein Jahr später dann die E 1013, ausgeliefert wurden, endete die Episode der Übergangsloks durch Rückbau und Umlackierung mehr oder weniger sang- und klanglos. Einzig die E 10 244 behielt ihre Henschel-Drehgestelle. Der Rückbau der „Rheingold“-Provisorien erfolgte ab September 1962, derjenige der „Rheinpfeil“-Pendants im September 1963 (siehe Tabelle rechts).
Somit waren blau-beige E 10 ohne „Bügelfalte“ etwa zwei Jahre auf Bundesbahngleisen zu finden. Umlackiert in das bis 1975 übliche blau und verteilt auf die Betriebswerke Nürnberg, Dortmund und Heidelberg, versahen sie nun ihren Dienst im regulären (Fern-)Schnellzugverkehr.
In den 1980er-Jahren fanden sich einzelne Loks auch im Bw Stuttgart wieder, in der nun aktuellen ozeanblau-beigen Farbgebung sehr ähnlich ihrem Aussehen in den ersten Betriebsmonaten.
Einzelne Maschinen, wie z. B. die 110 251, erhielten mit dem orientroten und dem verkehrsroten Farbschema insgesamt fünf verschiedene Lackierungsvarianten im Lauf ihrer Einsatzzeit. Mittlerweile sind ihre Reihen weitgehend gelichtet, als eine der letzten Übergangslokomotiven wurde die 110 243 am 28. Oktober 2010 z-gestellt. Einen nochmaligen Umbau erlebte die 110 250, welche im November 1994 nach Erhalt neuer Drehgestelle von ausgemusterten Loks der Güterzugvariante 140 als 139 250 eingereiht wurde. Diese Lok befand sich zum Stichtag 1. Juli 2010 im z-Bestand des Bw Nürnberg Rangierbahnhof.
Von den eigentlichen „Rheingold“- und „Rheinpfeil“-Loks sind noch die, mittlerweile als Baureihe 113 geführten, ehemaligen E 10 1267, 1268 und 1309 bei DB-Autozug im Einsatz zu finden. Die E 10 1311 befindet sich im Bestand des DB-Museums am Standort Koblenz-Lützel.

Die Museumslok E 10 1239
Dieses kurze Kapitel in der E 10-Geschichte würde vielleicht zunehmend in Vergessenheit geraten, hätte sich nicht der „Lokomotivclub 103 e. V. Wuppertal“ der 110 239 angenommen und sie nach leihweiser Überlassung durch DB Regio in mühevoller Kleinarbeit wieder in ihr „Rheingold“-Aussehen zurückversetzt. Es ist erstaunlich, welche Detailtreue bei der Restaurierung zugrunde gelegt wurde, seien es die verchromten Griffstangen zu den Führerständen oder die Rekonstruktion des Trittrostes an der Lokfront.
Wieder im eleganten kobaltblau-beigen Lack und gekrönt mit dem silbernen Dach war sie in den vergangenen Jahren schon oft der Star diverser Ausstellungen. Leider lief im September 2010 ihre Untersuchungsfrist ab, so dass sie bis auf weiteres nicht mehr mit eigener Kraft eingesetzt werden darf. Angesichts des unvergleichlichen Aussehens und der momentanen „Rheingold-Renaissance“ bleibt zu hoffen, dass die E 10 1239 bald wieder betriebsfähig am Eisenbahngeschehen teilhaben darf. Ihren Betreuern und allen Eisenbahnfreunden wäre dies zu wünschen. Dr. Frank Halter

Noch mehr Bilder und Infos finden Sie in LOK MAGAZIN 03/11.

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