Die V 320 001 von Henschel: Einzelgänger mit großer Fangemeinde

Seiten

Umbau zur Güterzuglok
Henschel baute die V 320 daraufhin um. Offenbar hatte nun auch der Hersteller eingesehen, dass es für eine Lok dieser Leistungsklasse im Personenzugdienst keine Perspektive gab. Die Lok verlor ihre dampfbetriebene Zugheizung und war fortan mit einer Höchstgeschwindigkeit von nur mehr 120 km/h unterwegs.
In ihrer neuen Rolle als Güterzuglok fand sie ab April 1976 eine neue Heimat bei der Hersfelder Kreisbahn, die sie unter der Bezeichnung V 30 und in orangefarbener Lackierung hauptsächlich im schweren Kali-Verkehr einsetzte. Im Februar 1989 hatte sie auch dort ausgedient und kam zur Teutoburger-Wald-Eisenbahn. Nun wieder als V 320 beschriftet zog sie vor allem schwere Stahlzüge zwischen Paderborn und Hanekenfähr. Als sie nur drei Jahre später in Lengerich abgestellt wurde, funktionierte nur noch einer der beiden Fahrmotoren. Und dennoch stand der Maschine nun ein italienisches Intermezzo bevor: Der Lokhändler Bulfone ließ sie ab 1994 im slowenischen Maribor aufarbeiten, ehe sie ab 1995 bei Servizi Ferroviari (SerFer) zur Bedienung einer Anschlussbahn in Pordenone (nördlich von Venedig) sowie im Containerhafen Genua-Voltri eingesetzt wurde.
Seit 1998 ist die V 320 wieder in Deutschland. Das Gleisbauunternehmen Wiebe kaufte sie und ließ sie abermals aufarbeiten. Nach einer Hauptuntersuchung im Jahr 2000 war sie zunächst als Lok Nr. 6, dann als Lok Nr. 7 bzw. V 320 001 unterwegs. Später erhielt sie die heutige Nummer 320 001-1. Eine weitere Hauptuntersuchung war 2008 fällig – die spendierte man ihr auch, so dass sie weiterhin in den knallgelben Unternehmensfarben im Bauzugdienst durch ganz Deutschland und teils auch in Nachbarländern unterwegs ist.
Aufgrund der überwiegenden Bauzugdienste gibt es aber keine festen Leistungen. Wer der V 320 begegnen will, ist daher auf eine Portion Glück oder – mit etwas höherer Zuverlässigkeit – auf  Sichtungsmeldungen und Einsatzprognosen im Internet angewiesen. Und die gibt es fast täglich, denn wo immer die einstmals größte und stärkste Lok der Bundesbahn auftaucht, zieht sie die Blicke ihrer Fans auf sich.
Dann wird geträumt und sinniert: Wäre das nicht eine ideale Lok, ja sogar die Krönung im Diesellok-Reigen der Bundesbahn gewesen? Wie hätte sie wohl in Blau-Beige, Orientrot oder sogar Verkehrsrot gewirkt? Würden manche von ihnen vielleicht heute noch fahren?
Fünf Jahrzehnte nach dem Bau des Einzelstücks sind einige wichtige Hauptbahnen noch immer nicht elektrifiziert, darunter etwa die Marschbahn von Hamburg nach Sylt, stark belastete Güterverkehrsachsen im Raum Mühldorf oder – fast schon als Ironie der Geschichte – die langjährige Heimat der V 320, die Allgäubahn. Überall dort kann die DB bis heute nicht auf 218- und 225-Doppeltraktionen verzichten, weder im Güterverkehr noch im Nah- und Fernverkehr. Angesichts dessen liegt die Schluss­folgerung nahe, dass die V 320 eine große, aber leider verspielte Chance war. 

Von Felix Löffelholz

Noch mehr Bilder und Infos finden Sie in LOK MAGAZIN 07/11

Seiten

Tags: 
Weitere Themen aus dieser Rubrik

ET 184 41, 42/ ET 185 01: Elektrische Pioniere

Am 4. Dezember 1895 eröffnete die Localbahn AG in Württemberg zwischen Meckenbeuren und Tettnang die erste elektrische Vollbahn in Europa.

Für den...

weiter

Baureihe 140 im Emsland: Die Funken schlagen

Im Emsland tummelten sich früher die Dampflokfans. Doch Geschichte wiederholt sich: Das Emsland zieht heute Ellok-Nostalgiker an. Warum das so ist, lesen Sie hier!

Lokführer im Ruhrgebiet in den 1970ern: Oft um den Kirchturm herum

In den frühen 1970er-Jahren arbeitet Peter Schricker als Lokheizer im Bahnbetriebswerk Duisburg-Wedau. Seine Dampflok-Einsätze sind die typischen jener Jahre:... weiter