Rauchzeichen

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Fortschritte brachte erst das Eisenbahn-Jubiläum 1985, als die DB selbst wieder Dampfzüge fahren ließ. Strecke für Strecke wurde wieder von den Dampflokbetrieb freigegeben, und da die DB selbst teilweise auf Loks privater Vereinigungen zurückgreifen musste, war das Eis gebrochen: Überall dampfte es wieder, und nach der Wiedervereinigung beider deutschen Staaten wurde es noch bunter mit DR-Loks im Westen und DB-Loks in den neuen Bundesländern. Selbst planmäßige Reise- und Güterzüge konnten gegen Bares wieder mit Dampfloks bespannt werden, wenn es fahrplantechnisch machbar war.

Schwerpunktland Sachsen

Auf sieben Strecken – im Fall der Harzer Schmalspurbahnen ist es das gesamte Meterspurnetz im Harz – fahren heute noch an jedem Tag planmäßig Personenzüge mit Dampflokomotiven. All diese Bahnen liegen im Osten Deutschlands, vier davon in Sachsen und alle sind ausnahmslos schmalspurig.

Das ist kein Zufall: Sie alle erschließen landschaftlich schöne Gegenden mit traditionell lebhaftem Tourismus. All diese Strecken waren nie stillgelegt, manch eine stand jedoch schon einmal kurz vor der Betriebseinstellung. Doch das ist lange her und reicht in die 1960er und 1970er-Jahre zurück, als die Deutsche Reichsbahn weniger aus betriebswirtschaftlichen Gründen, sondern um Arbeitskräfte für wichtigere Bereiche freizusetzen, viele ihrer Schmalspurbahnen stilllegte.

Dass heute noch auf sieben Bahnen täglich gefahren wird, täuscht darüber hinweg, dass es zuvor natürlich sehr viel mehr von ihnen gab. Doch das ist, wie man so schön sagt, überflüssiges Wissen, denn es ist für die Bewältigung des Lebensalltags wirklich nicht entscheidend, etwa die genaue Geschichte der Schmalspurbahn von Ostercöthen nach Radegast zu kennen.

Das Schicksal jener vergessenen Strecken war eben, dass sie durch touristisch nicht so attraktive Landschaften führten, wie z. B. die 600-mm-Bahnen in Mecklenburg, die 750-mm-Verbindungen der Prignitz oder um Burg bei Magdeburg. Bei der Spreewaldbahn liegt der Fall schon wieder anders: Hätte sie - und wenn auch nur als drittklassige Anschlussbahn - irgendwie das Jahr 1992 erlebt, gäbe es dort heute mit Sicherheit Dampfbetrieb als touristische Attraktion.

Es geht um Kohle. Nein: um Geld

Wir Eisenbahnliebhaber vergessen ganz gern, dass die Eisenbahn nicht für uns erfunden und gebaut wurde. Es ging um nichts weiter als Geld verdienen, „Geld machen“ mit dem Transport von Gütern und Menschen. Nur so funktionieren die sieben Dampfbahnen auch heute.

Mit dem "Molli" sind im vergangenen Jahr 566.000 Menschen gefahren. Im Harz waren es über eine Million! Da kommt schon etwas in die Kassen. Dieses Geld braucht man auch, um die Infrastruktur und die Fahrzeuge instand zu halten. Die Hauptuntersuchung einer Dampflok kostet schonschnell mal 500.000 Euro. Was für einen Verein unerschwinglich ist, fällt für die Betreiber der Dampfbahnen als fest einzuplanende Ausgabein regelmäßigen Zeitabständen an.

Auch mäkeln wir alten Dampfnarren gern herum: Die Lokomotiven sind zu super-glatt-lackiert und hochglanz-geputzt, dass es spiegelt. Die Wagen manchmal mit Reklame zugeklebt (auch hochglanz- gewienert), oder derart fein in einen Museumszustand versetzt, wie sie früher selbst ab Werk wohl nicht aussahen.

Das ist nicht mehr unsere alte Dampf-Eisenbahn! Natürlich ist sie das nicht. Sie kann es nicht sein, denn das Rentner-Ehepaar aus Dorsten und die junge Familie aus Celle fahren nicht in den Harz, um in verkeimten DR-Wagen mit dem Restgeruch der legendären Zigarettenmarke „Karo“ (oder auch „f6“) zu reisen.

Mit Ansichtskarten- Landschaften wurden sie „angefüttert“, nun wollen sie diese auch sehen und erleben und in diesem bunten Zug fahren, dessen Lok so schön pufft. Kämen diese Leute nicht, könnten die Harzer Schmalspurbahnen ihren Betrieb einstellen.

Ein Artikel aus LOK MAGAZIN 06/14.

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