Die kleine Universallok

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Seit Ende 1956 waren beide Maschinen mit Einrichtungen für den Wendezugbetrieb ausgerüstet, doch zu Einsätzen in dieser Betriebsart kam es planmäßig nicht. Im Zuge der Auflösung des Bw Frankfurt 3 wurden 66 001 im Juli 1957 und die 66 002 im März 1958 an das Bw Frankfurt 1 abgegeben, dem letzten verbliebenen Frankfurter Bahnbetriebswerk für Personenzugdampfloks.
Mittlerweile hatte aber der Fahrdraht Frankfurt erreicht, eine Strecke nach der anderen wurde auf elektrischen Betrieb umgestellt, so dass die beiden 66er mit Ablauf des Winterfahrplans 1959/60 an das Bw Gießen abgegeben wurden, wo schon Loks der Baureihe 23 beheimatet waren und auch beiden 10er regelmäßige Gäste waren.

Die frühen 1960er-Jahre entwickelten sich zur Blütezeit der 66er: In Gießen wurden sie zusammen mit der wesentlich stärkeren 23 eingesetzt. Und diese Einsätze beschränkten sich nicht nur auf Personenzüge im Berufsverkehr: Noch bis 1963 liefen die Loks im Schnellzugdienst zwischen Gießen und Frankfurt, und das in Fahrplänen, die teilweise für die 01 berechnet waren! Ein paar Zugnummern: D 81, D 82, D 84, D 234, D 235 – richtig schöne Züge mit bis zu zehn 26,4-Meter-Schnellzugwagen waren das.

Doch ab 1963 wurden die Loks weitgehend in den Personenzugdienst abgedrängt, da mittlerweile genügend Schnellzugdampflokomotiven zur Verfügung standen. Zudem forderte die Elektrifizierung auch in Gießen ihren Tribut, der 66 blieben nur noch die Strecken Gießen – Fulda, Lollar – Wetzlar und Lollar – Londorf.


Am 3. Oktober 1966 kündigte sich das Ende der Baureihe 66 an, als 66 001 in voller Fahrt einen Treibstangenbruch erlitt und nicht mehr ausgebessert wurde. Einzelgänger 66 002 hielt etwas länger durch, verlor aber Anfang 1967 ihre letzten Planleistungen und dient nur noch als Reservelok, auf die aber gerne zurückgegriffen wurde. Am 15. November 1967 wurde die Lok z-gestellt und wie ihre Schwester im AW Trier abgestellt. Rund 750.000 Kilometer hatten die Maschinen jeweils für die DB erbracht.

Während die 66 001 dort verschrottet wurde, gelang der DGEG der Ankauf der 66 002, die zunächst in Ewersbach wettergeschützt im Lokschuppen abgestellt wurde, später in Erndtebrück. Bis heute wird sie in Bochum-Dahlhausen als Museumsexponat ausgestellt. Vor ein paar Jahren war die betriebsfähige Aufarbeitung der Lok im Gespräch, eine Arbeitsgruppe der DGEG sammelte fleißig Spenden. Mittlerweile wurde das Projekt aber abgeblasen.

Was wäre gewesen, wenn …
Wäre es nur nach der technischen und betrieblichen Bewährung gegangen, hätte sich die DB den Bau von vielen hundert V 100 sparen können. Als aber die 66 zeigte, was sie konnte, war es schon zu spät – Dieselmotor und elektrischer Fahrdraht hatten ihren Siegeszug unwiderruflich angetreten. So bleibt nur die Erinnerung an die beste DB-Neubaudampflok, mit der die Konstrukteure gezeigt hatten, dass eine schnelle und starke Universaldampflok für den mittleren Dienst auf Haupt- und Nebenbahnen kein Wunschgedanke sein musste.

Martin Weltner

Weitere Informationen und Bilder finden Sie im LOK MAGAZIN 02/11!

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