Tempo mit System

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Tatsächlich konnte die Arbeitsgruppe schon nach kurzer Zeit die Vorstellungen für ein Fahrzeug konkretisieren. Dem Vorstand gelang es zudem, die Politik in die Pflicht zu nehmen und die Finanzierung eines Hochgeschwindigkeitsfahrzeugs zu sichern. Hier kommt der dritte glückliche Umstand ins Spiel. Die Koalition aus FDP und CDU/CSU und die Neubesetzung der Ministerposten Verkehr sowie Forschung brauchten schnelle Erfolge. Der Plan des DB-Vorstandes nach einem zukunftsweisenden Technologieträger kam gerade zur rechten Zeit. Schon am 1. September 1982 erteilte das Bundesministerium für Forschung und Technik (!) die Genehmigung für die Entwicklung und den Bau eines Versuchs- und Demonstrationsfahrzeugs, für dessen Inbetriebnahme sich das symbolträchtige Datum Dezember 1985 – des 150-jährigen Jubiläums der deutschen Eisenbahnen – geradezu aufdrängte. Der erste Schritt zur ICE-Familie war getan.

Ein Rückblick: Das Tempo steigt
Die Beschleunigung des Fernverkehrs war seit den frühen 1960er-Jahren vorangetrieben worden. 1962 konnten mit dem „Rheingold“ und – ab 1963 – mit dem „Rheinpfeil“ 160 km/h gefahren werden. Zur Internationalen Verkehrsausstellung in München 1965 standen die ersten 103.0 zur Verfügung und führten zwischen Augsburg und München planmäßigen Verkehr mit 200 km/h durch. In dieser Zeit entstand die Idee für ein bundesweites Taktsystem, für das ab 1972 die Serien-103 bereitstanden. Parallel dazu waren die drei Triebzüge der Baureihe 403 für den schnellen Verkehr gebaut worden. Die sozialliberale Koalition förderte den Ausbau des Schienenverkehrs und den Neubau von Strecken.

1973 wurden die Pläne für eine neue Nord-Süd-Hochgeschwindigkeitsstrecke durch einen symbolischen Baubeginn bei Hannover Realität. Auf Anregung der Politik nahm die DB nun auch den Geschwindigkeitsbereich von 300 km/h ins Visier. Eine Arbeitsgruppe im BZA München erhielt die Aufgabe, das System zu untersuchen, Kriterien festzulegen und einen Zeitrahmen aufzuzeigen.
Aufbruchstimmung machte sich breit, alles schien auf bestem Wege, da bremsten Öl- und Wirtschaftskrise und eine Serie von Pannen bei der Automatischen Fahr- und Bremssteuerung (AFB) die Entwicklung schlagartig. Das Verkehrsministerium zögerte daraufhin mit der Genehmigung der Schnellfahrten und lehnte sie nach dem Unfall von Rheinweiler ganz ab. Die Ausrüstung weiterer Strecken mit Linienzugbeeinflussung (LZB) wurde zurückgestellt. Der Streckenaus- und -neubau kam nur noch schleppend voran.

In eine ganz andere Richtung dachte man bei der 1968 gegründeten „Autoschienenbahn Studien- und Entwicklungsgesellschaft“ (später umbenannt in Hochleistungs-Schnellbahn-Studiengesellschaft/HSB), die die Möglichkeiten neuer Technologien im Fernverkehr, später vor allem der Magnetschwebebahn, erkunden wollte. Diese Studiengesellschaft wurde auf Initiative der Schienenfahrzeughersteller, die die Entwicklung schneller Schienenfahrzeuge im Ausland, vor allem in Frankreich, mit Sorge betrachteten, um den Forschungsbereich Rad/Schiene ergänzt.

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