Königstein statt Loreley!

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Ohne Systemhalt und Umspannen
1972 begann die Elektrifizierung des Abschnittes Dresden – Schöna. Diese Arbeiten gingen mit einer umfangreichen Sanierung verschiedener Brücken und Stützmauern einher, beinhalteten aber auch den Bau neuer Stellwerke und Sicherungstechnik. Der damalige Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn, Dieter Weiß, ließ es sich am 29. Mai 1976 nicht nehmen, persönlich den elektrischen Verkehr auf der Elbtalstrecke zu eröffnen. Seit dem 30. Mai verkehren bis heute fast alle Reisezüge mit Elloks unter 15 kV 16 2/3 Hz Wechselstrom. Ende der 1980er-Jahre lösten dabei die Lokomotiven der Baureihe 243 (ab 1992 Baureihe 143) die älteren Fahrzeuge der Reihen 211 (109) und 242 (142) schrittweise ab.
Um in die Tschechoslowakei laufende bzw. aus dem sächsischen Nachbarland kommende Züge nicht mehr zwischen Bahnhof Bad Schandau und Decin auf meist tschechische Dieselloks umspannen zu müssen, entwickelte die Lokomotivfabrik Skoda in Pilsen Mitte der 1980er-Jahren die Mehrsystemlokomotiven der CSD-Reihe 372, welche sowohl mit dem deutschen Wechselstromsystem als auch im tschechischen 3.000-V-Gleichstromnetz betrieben werden können.
Die Deutsche Reichsbahn erhielt davon 1988 zunächst ein Exemplar, das als 230 001 eingereiht wurde. In den folgenden Jahren waren verschiedene Änderungen an der Technik, aber auch der „elektrische Lückenschluss“ im Bereich der bisher oberleitungsfreien Gelobtbachbrücke zu vollziehen. Nach Auslieferung von weiteren 19 Reichsbahnloks der Reihe 230 und weiteren 15 CSD-Loks der Reihe 372 wurde 1991 der grenzüberschreitende elektrische Verkehr zwischen beiden Ländern aufgenommen. Sowohl die 1994 an die DB AG übergegangenen Loks (seit 1992 Baureihe 180) als auch die seit 1993 von den CD betriebenen Zweisystemlokomotiven gehören heute zum Alltag im Elbtal und kommen teils weit darüber hinaus zum Einsatz – so z. B. bis nach Berlin.

Viel Abwechslung
Geprägt wird das Bild der im April exakt 160-jährigen BD-Linie gegenwärtig von den S-Bahn-Zügen von DB Regio, welche im Sommer im Halbstundentakt zwischen Meißen und Bad Schandau sowie stündlich weiter nach Schöna pendeln. Geführt werden sie im Regelfall von den Elloks der Baureihen 143/146. Die Strecke durch die Sächsische Schweiz hat jedoch auch für den internationalen Reise- und Güterverkehr eine unverändert hohe Bedeutung. Im Durchschnitt passieren pro Tag in beiden Richtungen etwa 80 Güterzüge die Elbtalstrecke – gezogen von Elektro- und Dieselloks zahlreicher EVU. Dazu kommen mehr als ein Dutzend grenzüberschreitende Reisezüge, wodurch es dem Eisenbahnfotografen oder -filmer am Bahndamm nicht langweilig werden dürfte.
Um die Schönheit der Landschaft zu genießen, empfiehlt sich neben einer Zugreise übrigens auch eine Dampferfahrt, immerhin gibt es nirgends auf der Welt noch so viele Dampfschiffe wie auf der Oberelbe. Vom Deck dieser seit 1836 auf der Elbe verkehrenden Zeitzeugen der Verkehrsgeschichte bieten sich attraktive Blicke z. B. auf die Stützmauern bzw. Brücken der BD-Linie in Königstein und Pirna. Wer nach Einbruch der Dunkelheit die Kamera aus der Hand gelegt hat, aber Eisenbahnen noch immer nicht missen möchte, dem sei ein Bad in einem der wohltemperierten Becken der „Toskana Therme“ in Bad Schandau nahe gelegt, von wo aus die am anderen Elbufer vorbeifahrenden Züge ganz entspannt beobachtet werden können.

Von André Marks

Noch mehr Bilder und Infos finden Sie in LOK MAGAZIN 05/11

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